Teufel

Die Figur des Teufels symbolisiert wie kaum eine andere Instanz Phänomene des Bösen in Religionen und Literatur, obwohl sowohl biblische als auch theologische Gründe gegen die Existenz des Teufels sprechen. Systematisch-theologisch attraktiv ist auf den ersten Blick die Entlastung endlicher und göttlicher Freiheit durch die Teufelsgestalt. Bei genauerem Hinsehen wird die Frage nach dem Ursprung des Bösen durch den Teufel aber nicht beantwortet, da diese Figur als endliches Wesen und Geschöpf gedacht werden muss und daher nicht an die Stelle der Freiheit des Menschen und Gottes treten kann. Die Figur des Teufels kommt im Christentum und in den Religionen allerdings stets um den Preis der Angst, da Freiheit, wie im Fall von Besessenheit, völlig korrumpierbar erscheint. Diese Art des Zugriffs von Teufeln und Dämonen auf andere endliche Freiheit kann theologisch jedoch nicht gedacht werden. Der Artikel diskutiert zudem, inwiefern die Figur des Teufels dem Bösen als Exzessivem oder Unverstandenem in der Welt Ausdruck verleiht und sogar ethische Potentiale hat. Wenn für das Böse nämlich ein Teufel als Genie der Versuchung verantwortlich ist und Personen im Ausagieren des Bösen nur nachgeben, liegt darin ein Schutz der Person vor absoluter Verurteilung. Allerdings hängt offensichtlich der moralische Schutz von Personen auch in den Religionen erneut nicht an der Annahme der Existenz eines Teufels. Insgesamt zeigt der Artikel die systematisch-theologische Tendenz zur Begrenzung von Teufelsvorstellungen mit interdisziplinärem Anklang.

Inhaltsverzeichnis

    1. Basisinformation

    Die Figur des Teufels stellt einen religiösen oder literarischen Ausdruck für Infames, Vermaledeites und abgrundtief Böses dar. Zugleich wird die Teufelsgestalt im Christentum nicht als Gottheit konzipiert, sondern als Geschöpf. Wie für alle Geschöpfe gilt: Sie sind nicht einfach, was sie tun.1Vgl. Wirth, Mathias, Warum diabolische Geschlechtlichkeit nicht diabolisch ist. Über Trans/Gender und die ewigen Diagnosen des Bösen, in: Praktische Theologie 56 (2021), 83–89, 84. Wohl auch deshalb ist der Teufel kein Element des christlichen Glaubensbekenntnisses, weil es nicht in diese Sphäre Gottes reicht.2Vgl. Walton, John H., Demons and Spirits in Biblical Theology, Eugene 2019, 2. Sowohl in der evangelischen3Vgl. Schleiermacher, Friedrich, Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche 2, Berlin 21831, 211 und Karl Barths oes-gnd-iconwaiting... Zurückweisung der Möglichkeit einer Dämonologie aufgrund ihres Ausbleibens in der Schrift („Sie deutet mehr an, als dass sie lehrt“), siehe Barth, Karl, Die kirchliche Dogmatik III/3, 612. als auch in der katholischen Theologie4Vgl. Kasper, Walter, Das theologische Problem des Bösen, in: Ders./Lehmann, Karl (Hrsg.), Teufel, Dämonen, Besessenheit. Zur Wirklichkeit des Bösen, Mainz 1978, 41–69, 64 sowie Lehmann, Karl, Der Teufel – ein personales Wesen, in: Kasper, Walter/ders. (Hrsg.), Teufel, Dämonen, Besessenheit. Zur Wirklichkeit des Bösen, Mainz 1978, 71–98, 72, der hier von einer „massive[n] Überdetermination der sogenannten Personalität des Teufels im Zusammenhang der Phänomene dämonischer Besessenheit“ ausgeht und damit Vorstellungen von agentiellen Möglichkeiten des Teufels, die direkte Wirkungen auf Personen haben, kritisiert. wird die Figur des Teufels insgesamt stark begrenzt.

    Für eine gewisse Unverständlichkeit der Rede vom Teufel steht zunächst ein komplexer Befund zur biblischen Bezugnahme auf den Teufel. Auf Hebräisch steht dafür Satan (שטן), was selten ein Eigenname ist (wie in 1Chr 21Und der Satan stellte sich gegen Israel und reizte David, dass er Israel zählen ließe.Zur Bibelstelle), sondern zunächst für Gegner, Ankläger oder Hindernis in Rechtsstreitigkeiten steht.5Vgl. Stokes, Ryan E., The Satan. How God’s Executioner Became the Enemy, Grand Rapids 2019, 6–7. Ein Synonym für Boshaftigkeit oder Abgefallenheit von Adonai stellt Satan zunächst nicht dar. Das markiert bereits den Geschöpfcharakter des Teufels, was systematisch-theologisch zentral wird.6Vgl. Stokes, Satan, 3.

    Satan macht in der biblisch zugeschriebenen Rolle als Ankläger das Übel in der Geschichte und im Schicksal Einzelner deutlich, wobei es sich um durch Gott gerechtfertigtes Übel handelt (z. B. Num 22Aber der Zorn Gottes entbrannte darüber, dass er hinzog. Und der Engel des Herrn trat in den Weg, um ihm zu widerstehen. Er aber ritt auf seiner Eselin, und zwei Knechte waren mit ihm.Zur Bibelstelle).7Vgl. Stokes, Satan, 221. Das ändert sich semantisch, wenn das Lexem Satan für einen menschlichen Angreifer verwendet wird, der körperlich attackiert (z. B. 1Sam 29,4Aber die Obersten der Philister wurden zornig auf ihn und sprachen zu ihm: Schick den Mann zurück! Er soll zurückkehren an den Ort, den du ihm zugewiesen hast, damit er nicht mit uns in den Kampf ziehe und unser Widersacher werde im Kampf. Denn womit könnte er seinem Herrn einen größeren Gefallen tun als mit den Köpfen unserer Männer?Zur Bibelstelle).8Vgl. Stokes, Satan, 8–9. Auf Griechisch bedeutet Teufel Diabolos (Διάβολος), was für Gegner und wörtlich für Durcheinanderwerfer steht. Im Neuen Testament gibt es verschiedene weitere Ausdrücke für den Teufel: den Bösen, Versucher, Feind (z. B. Mt 4,1–11[1] Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. [2] Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. [3] Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. [4] Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben : »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«[5] Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels [6] und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben : »Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« [7] Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben : »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«[8] Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit [9] und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. [10] Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben : »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« [11] Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.Zur Bibelstelle).9Vgl. Stokes, Satan, 197. Die komplexe Nomenklatur für den Teufel im Neuen Testament verweist auch darauf, dass es sich um eine für diesen Teil der Bibel wichtige Figur handelt, die weitaus häufiger vorkommt als im ersten Teil des Kanons.10Vgl. Stokes, Satan, 202. Es kommen dann viele Gestalten und Namen hinzu, die im Laufe der biblischen und außerbiblischen Geschichte von Azazel bis Zabulus den Teufel fassen wollen. Ist der Teufel also nicht nur reine Destruktion, sondern auch ein „Tausendkünstler“?11Vgl. Schumacher, Meinolf, Der Teufel als Tausendkünstler. Ein wortgeschichtlicher Beitrag, in: Mittellateinisches Jahrbuch 27 (1993), 65–76, hier 65 und dazu Eming/Fuhrmann, Der Teufel, 5.

    Weiterführende Infos WiBiLex

    Für eine bibelkundliche Vertiefung sei auf folgende zwei Artikel verwiesen:
    Frey-Anthes, Henrike, Art. Satan (AT), in: WiBiLex (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/26113/), abgerufen am 16.05.2025.
    Ostmeyer, Karl-Heinrich, Art. Satan (NT), in: WiBiLex (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/53942/), abgerufen am 16.05.2025.

    Zudem gibt es keinen systematisch-theologischen Unterschied zwischen Teufeln und Dämonen und damit keine sinnvolle Hierarchie des Bösen. In beiden Fällen handelt es sich um imaginierte Geschöpfe, die im Gebrauch ihrer Freiheit die Verletzung der Freiheit heraufbeschwören. Das mit dem Literalsinn kommende dämonische Alleswissen und das diabolische Anklagen markiert klassische Absturzpunkte der Moral. Darin und im Gebrauch endlicher Freiheit unterscheiden sich die vermeintlich dunklen Mächte nicht von anderer Freiheit und ihrer destruktiven Wirkmöglichkeiten auf den Raum des Sozialen.12Vgl. Noth, Isabelle/Wirth, Mathias, „Satanic Panic“. Praktisch- und systematisch-theologische (Auf-) Klärungen zu sogenannter organisierter ritueller Gewalt, in: Praktische Theologie 58 (2023), 232–240, 234. Selbst wenn in den verschiedenen literarischen Kompositionen der Teufelsgestalt, im Kanon und in der Weltliteratur konstruktive Elemente ausweisbar sind,13Vgl. Eming, Jutta/Fuhrmann, Daniela, Der Teufel und seine poietische Macht. Eine Einführung, in: Dies. (Hrsg.), Der Teufel und seine poietische Macht in literarischen Texten vom Mittelalter zur Moderne, Berlin/Boston 2021, 1–24, 7. besteht die Gefahr einer Verharmlosung solcher Deutungen, solcher religiöser Praktiken, die Teufel und Dämonen inszenieren, um Freiheit zu lähmen.

    Unverständlich ist der Teufel aber vor allem deshalb, weil die Vorstellung vom Teufel keine Sinnelemente in den Diskurs über das Böse transportiert, die nicht bereits in der Freiheit mit ihrem Potential zum Bösen liegen. Es gibt theologisch keinen Grund für die Position des Teufels, der dennoch zu einer „Realie“ in verschiedenen religiösen Kulturen wird.14Vgl. Flasch, Kurt, Der Teufel und seine Engel. Die neue Biographie, München 2015, 65. Markiert der Teufel also lediglich die Anfälligkeit für das Böse und Unaufgeklärte in der christlichen Religion oder ist mehr von einer Instanz zu lernen, die für das personifizierte Böse steht?     

    Die Figur des Teufels besitzt zwar keine Erklärungskraft für die Frage nach dem Ursprung des Bösen, stellt aber einen Gehalt religiöser und moralischer Kommunikation dar. In Kunst, Literatur, Film und kirchlichen Praxen, je nach kulturellem Kontext eher abseits des Mainstreams, hat der Teufel Bedeutung.15Vgl. Goldberg, Zachary J., Das Böse konzipieren. Probleme und Lösungen, in: Noller, Jörg (Hrsg.), Über das Böse. Interdisziplinäre Perspektiven, Freiburg/München 2020, 148–168, 148–149. Der Gedanke einer abgrundtief bösen und darin für immer verfangenen Existenz, die als Teufel bezeichnet wird,16Vgl. Kreiner, Armin, Das Böse zwischen Supranaturalismus und Naturalismus, in: Noller, Jörg (Hrsg.), Über das Böse. Interdisziplinäre Perspektiven, Freiburg/München 2020, 34–45, 38. scheint aus verschiedenen Gründen attraktiv: als Erweis der Gutheit einer Gottheit in den Religionen, die eben nicht der Teufel ist; als Instanz der Entschuldigung des Menschen angesichts des Bösen in der Moral sowie als Marker eines Grauens, für das es einen Begriff jenseits dessen braucht, was als regulär gelten kann und dennoch individuelle und kollektive Erfahrungen ausmacht.

    Darin liegt eine doppelte ethische Abrutschgefahr: Einerseits können so andere Personen als Inbegriff des Bösen und Teuflischen gefasst werden, um so ihre Tötung legitim erscheinen zu lassen.17Vgl. Goldberg, Böse, 150. Andererseits gewinnen die vermeintlich Guten die trügerische Gewissheit, selbst nicht zu derartigem Bösen im Stande zu sein, was allerdings geänderte Umstände leicht falsifizieren.18Vgl. Goldberg, Böse, 151. Wer das nicht wahrhaben will, schaut nicht kritisch auf sich und andere, denn es gilt als Möglichkeit: „Gewöhnliche Menschen begehen außergewöhnlich böse Taten.“19Goldberg, Böse, 162. Mit dem letzten Punkt deutet sich an, was auch für alle davor genannten Aspekte gilt, die die Figur des Teufels zitieren: Sie scheitern allesamt daran, dass es „ontologisch sparsamer“20Kreiner, Böse, 42. ginge, es also ein Rekurs auf den Teufel bei Licht besehen nicht braucht. Es steht also theologisch nicht gut um den Teufel, der als Thema jedoch virulent bleibt, weil die Zitation nicht abebbt und ethisch zu behandeln bleibt, was zur Persistenz des Bösen führt.

    Obwohl die Figur des Teufels das Sachproblem des Bösen, das es wie nichts symbolisiert, ätiologisch und das heißt mit Blick auf die Frage nach dem Ursprung verstellt, überzeugt interkulturell offenbar eine Instanz, die auch in der religiösen Darstellung des Teufels auf das Böse als Faktum besteht. Selbst wenn gilt, weder die Gottheit noch der Teufel können Ursprung des Bösen sein, weil Gott im ersten Fall sonst aufhörte, ein guter Gott und damit überhaupt Gott zu sein (Monismus) und im zweiten Fall ein Geschöpf – etwas anderes ist der Teufel auch und gerade in biblischer Sicht nicht („Nur ein allmächtiges Wesen könnte in einem radikalen oder absoluten Sinn böse sein“21Schulz, Heiko, „Das Übel existiert“. Die dritte Prämisse des Theodizeeproblems als philosophische und theologische Herausforderung, in: Gräb-Schmidt, Elisabeth/Kumlehn, Martina (Hrsg.), Das Böse (Marburger Theologische Studien 143), Leipzig 2024, 56–85, 67.) – gottgleich gesetzt wird (Dualismus), bleibt das Böse als das oft Exzessive oder Unverstandene in der Welt.

    Das kann allerdings ohne Rekurs auf die Figur des Teufels gefasst werden, denn selbst wenn eine Hypostasierung des Bösen zu einem körperlichen Wesen inszenatorisch attraktiv ist, besteht die theologische und ethische Überzeugungskraft der Zurückweisung einer realen Existenz des Teufels darin, das Böse zu granulieren und so mit Blick auf einzelne Teile und Ursachen, Wirkweisen sowie Intervention und Prävention schärfer zu sehen.22Vgl. Kreiner, Böse, 40 sowie Noth/Wirth, Panic, 234. Dadurch müssen religiöse Sinngehalte, die im Kontext der biblischen Rede vom (und nicht über den) Teufel aufkommen, nicht übergangen werden. Vielmehr wird das kritische Potential biblischer Texte sowie jüdischer und christlicher Theologie im Zusammenhang mit dem Teufel deutlich, wenn diese Figur als Horizont der Gewinnung theologischer Erkenntnis und nicht als theologische Erkenntnis selbst missverstanden wird.

    2. Phänomenhorizont

    Es gehört ein deskriptiver und ein evaluativer Teil zum Phänomenhorizont der Rede über den Teufel. Im ersten Fall geht es um die Zitation des Teufels in Geschichte, Kunst und Religion und im zweiten Fall um die Frage nach einem möglichen Phänomen hinter Teufelsvorstellungen. Obwohl die zweite Frage für die aufgeklärte Theologie aus guten Gründen keine ernsthafte Frage ist, sollte doch argumentiert werden, warum es genau zu dieser negativen Bestimmung der Existenz des Teufels kommt. Das ist auch angesichts einer gewissen Prävalenz des Teufel- und Dämonenglaubens in den Konfessionen des Christentums und darüber hinaus eine theologische Aufgabe.

    Deskriptiv gehören Dämonen, die wie eingangs gesagt von der Figur des Teufels nicht unterschieden werden können, zur „frühjüdischen und frühchristlichen Weltsicht“ und ordnen sich so in Vorstellungen ein, die „im weiteren Sinne“ die griechisch-römische Antike prägen.23Wischmeyer, Oda, Zwischen Gut und Böse. Teufel, Dämonen, das Böse und der Kosmos im Jakobusbrief, in: Dochhorn, Jan et al. (Hrsg.), Das Böse, der Teufel und Dämonen, Tübingen 2016, 153–168, 162. Sie war gefüllt mit Vorstellungen über „deities and other superhuman entities“.24Stokes, Satan, 1. Das hat die Schriften der Bibel geprägt und sich im Falle der Gestalt des Teufels lange ausgewirkt,25Vgl. Stokes, Satan, 1 und Walton, Demons, 51. wie Kurt Flasch oes-gnd-iconwaiting... feststellt: „Wer Europa kennen will, muss Gott und den Teufel erkunden. Beide haben dort lange gelebt.“26Flasch, Teufel, 15. Weder der Eurozentrismus dieses Satzes noch die Verlegung des religiösen Glaubens in die Vergangenheit falsifizieren die im Kern richtige Beobachtung, wonach Gott und Teufel das religiöse Denken und praktische Leben lange geprägt und nicht selten lädiert haben. Das wirkt bis heute in Formen des Satanismus fort, die nicht immer so gelabelt sein müssen, um die Angst vor Teufel und Dämonen zum Mittelpunkt religiöser Anschauung zu machen.27Vgl. Wirth/Noth, Panic. Zur Diagnose von Kurt Flasch gehört ein komplexes Phänomenbild: Der Einfluss des Teufels im Hexenwahn der Neuzeit wird zum Beispiel materialisiert gedacht. Der berüchtigte Malleus („Hexenhammer“) listet in diesem Sinn das Wüten des Teufels durch Hexen, etwa den vermeintlichen Kannibalismus an 13 Kindern im Umland von Bern.28Vgl. Flasch, Teufel, 203. Gleichzeitig gibt es Prediger, die die Existenz von Teufeln und Dämonen ablehnten, und kein geringerer als Erasmus von Rotterdam oes-gnd-iconwaiting... war es, der über die Idee eines Teufels und diesen zurückweisende Rituale (Exorzismen) scherzte.29Vgl. Flasch, Teufel, 189.

    Deskriptiv kann für den Bereich der Literatur eine Sicht auf den Teufel gezeigt werden, die mit dieser Figur nicht nur das Grauen, sondern sogar moralischen Fortschritt kombiniert. Damit wird ein eigener Beitrag zum „Abschied vom Teufel“ (Herbert Haag oes-gnd-iconwaiting...) als Inbegriff des Bösen geleistet, wenn der Teufel nun als „Generator von Individualität, Vermittler neuen Wissens oder [als] Sprengmeister überkommener Ordnungen und Konventionen kulturrevolutionäres Potential für sich reklamiert“.30Eming/Fuhrmann, Teufel, 2. Ein Paradebeispiel für eine Entlassung des Teufels aus der monochromen Kategorie des Übeltäters sind die agentiellen Verhältnisse in Goethes oes-gnd-iconwaiting... „Faust“: Hier verwickelt die Wirklichkeit den Teufel in die notorische Spannung zwischen Wollen und Vollziehen, also in die Erfahrung von Endlichkeit, wenn der Teufel hier „stets das Böse will und stets das Gute schafft“.31Goethe, Johann Wolfgang, Faust (Sämtliche Werke I 7/1), 1336.

    Solche Depotenzierungen der Teufelsgestalt stehen nicht im Widerspruch zu den Literaturwissenschaften.32Vgl. Goethe, Faust, 1336. In der Sache liegen literaturwissenschaftlicher und theologischer Befund zum normativen Status des Teufels nicht weit auseinander, wenn mit dem Teufel Geschöpflichkeit und damit „Dekonstruktion und Entmächtigung des Teufels in der Moderne“33Goethe, Faust, 8. in den Blick gerät, die Böses etwa durch Anklage so markiert, dass Probleme sichtbar und Abweichungen attraktiv werden.34Vgl. Goethe, Faust, 11. Auf dieser Ebene liegt auch die theologische Interpretation des Teufels und seines vielfachen Auftretens in biblischen Texten: Nicht selten wird dadurch die Virulenz der Andersheit und Zukunft Gottes betont und das Nichtige des Bösen inszeniert, sodass es entmächtigt gezwungen ist, das Gute zu katalysieren.35Vgl. Goethe, Faust, 11.

    Die theologische Absage an die Existenz des Teufels hat evaluative Gründe. Das Auftreten des Bösen in sämtlichen Ausdrücken des Grauens kann nicht allein und nicht einmal verständlich in Annahmen über den Einfluss eines Teufels gedacht werden. Zugespitzt gesagt: Wer braucht einen Teufel, wenn er den Menschen hat? Die Geschichte des Bösen ist voll von denkbaren und undenkbaren Verelendungen, die Menschen anderen Lebewesen aus Wut, aus Machtgehabe, aus purer Schadenfreude, blankem Hass oder wegen eigener Vorteile und Privilegien antun.36Vgl. Flasch, Teufel, 62 und Goldberg, Böse, 162–163. Handlungsdispositionen, die mit genetischen und neurologischen Konstitutionen korrelieren, gehören zudem in dieses Feld. Es braucht objektiv den Teufel nicht um zu sagen, dass es das Böse gibt und endliche Freiheit unendliches Leid verursachen kann. Dem fügt die Rede vom Teufel nur Redundanzen mit dem Nachteil zu, Verhältnisse der Verantwortung auf die Sphäre vermeintlicher Geistwesen zu transferieren. Wäre es ein Teufel und nicht der Mensch, der das moralisch Böse effektuiert, käme menschliches Handeln in Politik, Recht und Moral immer schon zu spät, denn der Teufel wäre nichts, wenn er nicht etwas böser und genialer wäre als die, die sich verführen lassen.37Vgl. Goldberg, Böse, 165. Das trifft aber offenbar nicht zu, denn bestimmte Formen des Bösen sprechen etwa auf Prävention an.

    3. Die Figur des Teufels in Religionen und Theologie

    Religionen, die das Gute und Zukunft vor allem als Gegenstand der Hoffnung und eines Jenseits konzipieren, können das Auftreten finstrer Gestalten in der Geschichte leichter konzipieren als Religionen, die das Gute und Zukunft stark mit der Gegenwart, jedenfalls als Option (z. B. das messianische Denken im Judentum), oder Anfang (z. B. die präsentische Eschatologie des Christentums) verbinden.38Mit Bezug auf Hans Jonas oes-gnd-iconwaiting..., vgl. Kravitz, Amit, Von der besonderen Schwierigkeit, die jüdische Sicht auf das Böse dazulegen. Lehre, Quelle und Kluft zwischen geschichtlicher Erfahrung und Philosophie, in: Noller, Jörg (Hrsg.), Über das Böse. Interdisziplinäre Perspektiven, Freiburg/München 2020, 15–33, 16. Dass es sich hierbei um eine grobe Einordnung handelt, ist schon deshalb offensichtlich, weil sowohl im Judentum wie im Christentum teuflische Figuren regelmäßig vorkommen. Gerade im Hebräischen Denken aber erscheint Satan in enger Bindung an Adonai, der allein das Schicksal Israels trage.39Vgl. Stokes, Satan, 2.

    Die Valenz des personalisierten Bösen hängt offenbar an verschiedenen religiösen, theologischen und ethischen Kontexten, wodurch einfache Zuschreibungen ungültig sind. Systematisch gehört dazu neben dem bereits genannten Unterschied im Zeitindex verschiedener Erlösungsvorstellungen auch der zum ontologischen Status des Bösen: Ein „frommer Materialismus“ (Kurt Flasch oes-gnd-iconwaiting...) wird eher dazu neigen, das Böse personalisiert und in Teufelsgestalt am Werk zu sehen als eine Theologie und Frömmigkeit, die im Sinne der Privationslehre das Böse nur als Mangel an Gutem, aber nicht als eigene Realität gleichen Status denkt.40Vgl. Polke, Christian, Vom Bösen. Ethisch-theologisch Erkundungsgänge, in: Gräb-Schmidt, Elisabeth/Kumlehn, Martina (Hrsg.), Das Böse (Marburger Theologische Studien 143), Leipzig 2024, 119–136, 120. Die Teufelsfigur wäre mit ihrer fratzenhaften Präsenz ontologisch ein Zuviel, wenn das Böse stets ein Zuwenig ausmacht. Das hat allerdings in der Frömmigkeitsgeschichte des Christentums nicht daran gehindert, den Teufel als Erklärung für die Unergründlichkeit des Bösen am Ort der Freiheit vielfach zu strapazieren: Ein Beispiel liefert die Mystikerin Mechthild von Magdeburg oes-gnd-iconwaiting... (1207–1282), die von einer seelischen Verletzung berichtet, die ihr ein Priester angetan hat, wohinter sie nun eine durch den Teufel affizierte Person ausmacht.41Zitiert nach Eming/Fuhrmann, Teufel, 15. Als direkte Ursache konnte der Teufel – durchaus mit Humor – Praxen insbesondere des klösterlichen und kirchlichen Alltags stören: Der berühmte Mönch und Kölner Chronist Caesarius von Heisterbach  oes-gnd-iconwaiting... (1180–1240) berichtet davon in seinem „Dialogus Miraculorum“ (1219), einer Sammlung wundersamer Begebenheiten. Erzählt wird von Gespenstern, die beim Chorgebet den Mönchen erschienen, und vom Teufel, der bei der Lesung im Gottesdienst Kerzen aushaucht.42Zitiert nach Eming/Fuhrmann, Teufel, 17.

    Die Bedeutung des Teufels ändert sich zudem in historischer Sicht. Dazu gehört ein Hinweis auf die Theologiegeschichte des Protestantismus, der gerade in seinen Anfängen alles andere als kritisch gegenüber der Figur des Teufels war. Mag der Protestantismus eine neue Gestalt der Freiheit in die Geschichte Europas eingebracht haben, eine „Befreiung vom Teufel“43Flasch, Teufel, 387. leistete er lange nicht. Das ändert sich erst ab dem späten 17. Jahrhundert und durch das interdisziplinäre Zusammenspiel von Rechtswissenschaften, Philosophie, Theologie und nicht zuletzt aufgrund von Fortschritten in der Exegese.44Vgl. Flasch, Teufel, 327. „Gegenkräfte“,45Flasch, Teufel, 391. wie Kurt Flasch oes-gnd-iconwaiting... sie nennt, bleiben aus verschiedenen Gründen bis in die Gegenwart aktiv und halten an der Existenz des Teufels fest. Dazu verleite nicht nur eine oberflächliche Lektüre biblischer Texte, sondern auch Vorstellungen über den ansonsten unmöglichen Ausdruck des Grauenhaften und Furchtbaren, was eine wichtige Struktur in den Religionen darstelle und für ihre Brisanz sorge.46Vgl. Flasch, Teufel, 384. Das gilt auch in moralischen Angelegenheiten und entspricht einer Zitierstrategie des Neuen Testaments: Mit Rekurs auf den Teufel und bei entsprechender Weltsicht können Ermahnungen mit Nachdruck ausgesprochen werden.47Vgl. Wischmeyer, Teufel, 163.

    4. Systematisch-theologische Perspektiven und die Figur des Teufels

    Die Bosheit des Teufels ist nicht in gleichem Grad böse wie Gott gut ist. Der Glaube an den Teufel, der in evangelikalen und katholikalen Kreisen nicht allein ein Phänomen des globalen Südens ist, steht im Sinne unterschiedlicher theologischer Erkenntnisebenen auf einer völlig anderen Ebene als der Glaube an Gottes gute Schöpfung. Wem diese Annahmen zu theoretisch sind, wird innerhalb der christlichen Tradition spätestens ab Ostern nicht auf fulminante Überwindung der dunklen Mächte als Sinngehalt der christlichen Botschaft verwiesen.48Vgl. Noth/Wirth, Panic, 235. An diesem Punkt hängt das Evangelium aber am Kontrast einer an den Tod verfallenen Welt, für die der Teufel in der Tradition und bemüht orthodoxen Varianten des Christentums Pate gestanden hat und steht.49Vgl. Flasch, Teufel, 207. Zwar stimmt, dass die Botschaft einer Erlösung nur dort Sinn ergibt, wo ein Zustand des Übels besteht, aber das ist keineswegs gleichbedeutend mit einem Reich Satans. Herbert Haag oes-gnd-iconwaiting... hat zurecht darauf aufmerksam gemacht, dass der Begriff der Sünde im Neuen Testament und als Gegenüber zur Erlösung viel einschlägiger ist als Annahmen über den Teufel.

    Geistwesen, die von ihrer Gottheit abfallen und dadurch das Böse in die Geschichte bringen, stellen den Kern vieler Teufelssagen dar.50Vgl. Kreiner, Böse, 41. Ätiologisch unterscheiden sie sich dabei jedenfalls im Bereich des moralisch Bösen (malum morale) nicht vom Versuch, das Böse in der Freiheit der Menschen zu verorten. In beiden Fällen handelt es sich um geschöpfliche Wesen mit endlicher Freiheit, die zum Bösen genutzt werden kann. Was sie dazu bewegt, ist in beiden Fällen ebenfalls unklar. Für den Bereich des Übels in der Natur (malum physicum) wird die Figur des Teufels in bestimmten Traditionsbildungen eher verantwortlich imaginiert als der Mensch: Der Teufel ist zwar nicht Gott, aber als reines Geistwesen womöglich infiltrativer und als genius malignus der Sache des Bösen in allen Bezügen mächtiger. Fraglich ist, wie ein reines Geistwesen, als das der Teufel aufgrund des Motivs des Gestaltwechsels vorgestellt wird, überhaupt auf materiale Prozesse wirken soll. Das Böse kann aber nicht ohne Rückgriff auf plastische Auswirkungen gefasst werden. Schwach wirkt die Referenz einer Teufelsgestalt mit Blick auf die Frage nach dem Grund des Bösen.51Vgl. Kreiner, Böse, 42.

    Die Figur des Teufels leistet in ethischer Hinsicht zweifaches, ohne dies exklusiv zu vermögen: Einerseits wird das Übel, das passiert, nicht banalisiert, denn insofern es mit der Figur des Teufels in Verbindung gebracht wird, soll ein absoluter Tiefpunkt markiert werden. Andererseits werden die damit verbundenen agentiellen Verhältnisse und Personen, die für sie verantwortlich sind, exkulpiert. Das hat eine normativ überzeugende und eine problematische Seite. Überzeugend ist an einer gewissen Relativierung von Verantwortung die Berücksichtigung der Tatsache, dass wer etwas tut, darin auch immer getan wird. In einem überzeugenderen Sinn verhelfen zu dieser Einsicht zum Beispiel psychologische Studien. Ein solches die Täter humanisierendes Element könnte mit der Figur des Teufels in Verbindung gebracht werden, was allerdings noch nichts über die moralischen Gesamtkosten der Mitkonzeption teuflischer Modalitäten aussagt.

    Neuralgisch für die Frage nach dem Bösen oder sogar des Grauens ist warum Empathie, deren Defekte wohl die meisten Formen des Bösen ausmachen,52Vgl. Kreiner, Böse, 44. fehlt. Dabei keinen Teufel am Werk zu sehen, dürfte beim Umgang mit Empathiemangel mehr helfen als die Zitation einer Figur, die irreversibel in das Böse verstrickt ausgemalt wird;53Vgl. Kreiner, Böse, 45. und so höchstens als Marker moralischer Verletzung fungieren könnte, was stets um den Preis einer ontologisch unplausiblen Grundannahme erfolgen müsste.

    Waghalsig ist die Grundannahme eines teuflischen oder dämonischen Einflusses auf die Geschichte und die Freiheit nicht allein aufgrund ihrer ontologischen oder empirischen Unausweisbarkeit, sondern weil die Figur des Teufels zusätzlich das Problem der Hoffnungslosigkeit einträgt:54Vgl. Goldberg, Böse, 151. Wird die Teufelsfigur als Inbegriff des Grauens und als irreversibel in das Böse verstrickt konzipiert55Vgl. Stokes, Ryan E., What is a Demon, What is an Evil Spirit, and What is a Satan?, in: Dochhorn, Jan et al. (Hrsg.), Das Böse, der Teufel und Dämonen, Tübingen 2016, 259–272, 267. – was stets einen Widerspruch zum Faktum der Geschöpflichkeit des Teufels als Nicht-Gott darstellt – wird fraglich, wie das so gedachte Böse überwunden werden kann. Wird aber die Struktur der Freiheit in den Mittelpunkt gerückt, können auch maligne Einflüsse thematisch werden, mit denen ein Umgang zu finden ist. Wer glaubt, Teufel oder Dämonen seien solche Faktoren, die um die Freiheit herumlungern, benennt erneut keine präzisen Einflussgrößen auf die Freiheit, die operationalisierbar wären. Darin liegt der Ansatzpunkt theologischer Gnadenlehre: Im Abgleich mit Gott und nicht einer Teufelsgestalt, also im Horizont des Guten, die eigene Schwachheit und Verfallenheit so zu erkennen, dass Angst nicht gesteigert, sondern die Bedeutung der zugutekommenden Zuwendung Gottes existentiell programmatisch wird.56Vgl. Walton, Demons, 257, der sich hier auf Eph 6,12 Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die über diese Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.Zur Bibelstellebezieht.

    5. Ausblick

    Aus zwei Gründen bleibt es Aufgabe Systematischer Theologie, Vorstellungen von einer Existenz und Wirksamkeit des Teufels oder von Dämonen zu kritisieren: Erstens erklärt der Teufel weder die Frage nach dem Ursprung des Bösen noch die nach dem Grund des faktischen Bösen. Es handelt sich beim Begriff Teufel „um ein Wort, das nichts sichtbar macht“.57Flasch, Teufel, 381. Sichtbar gemacht wird hingegen Angst, deren Lösung zum Sinngehalt des biblischen Erlösungsglaubens gehört. „Ockhams Rasiermesser“, also das Prinzip der Wahl der stets einfacheren Begründung, spricht in diesem Sinn gegen die Wandlung eines Geschöpfes zu einer finsteren Macht, die mehr ist als alle anderen Geschöpfe, die Böses tun. Gegen eine solche Aufladung, die den Teufel ähnlich viel Wirkmacht auf das „tägliche Leben“58Flasch, Teufel, 207 zuspricht wie Gott, unterschlägt nicht nur in den Eigenstand von Welt und Freiheit, sondern auch die theologische Bedeutung von Ostern. In ihrem Kern geht es dort um den Beginn der Überwindung der Mächte des Todes und damit des Bösen. Eine der ersten Wirkungen der Auferstehung Jesu ist in diesem Sinne die Entmachtung von Teufel und Dämonen. Wer also „Ockhams Rasiermesser“ nicht traut, findet in der neutestamentlichen Theologie einen zentralen Grund, Vorstellungen über die Existenz und Wirksamkeit des Teufels zurückzuweisen.59Das gilt in gewisser Hinsicht auch für die theologische Vorstellung von Sünde und ihrer Macht, die nach wie vor wirkmächtig in diesem Leben, auch in dem von Christ*innen, gedacht wird. Durch das Erlösungshandeln ist die Sünde aber bereits so adressierbar, dass sich Menschen gerade nicht ständig anklagen müssen.

    In Auseinandersetzung mit fundamentalistischen Strömungen im Christentum, zu deren Ausdruck eine Vorliebe für das Festhalten an der Existenz des Teufels gehört, trotz aller „intellektuellen, ethischen und religiösen Schäden des Teufelswahns“,60Flasch, Teufel, 295. die bereits der reformierte Theologe Balthasar Bekker oes-gnd-iconwaiting... (1634–1698) deutlich hervorgehoben hat,61Vgl. Flasch, Teufel, 327. bleibt ein moralischer Erweis von Teufel und Dämonen virulent: Die Persistenz des Übels mitsamt den zerstörerischen Wirkungen in moralischen und materialen Ausdrucksformen, wie Klimakrise, Konflikte internationaler Politik, Öffnung sozialer Scheren und damit jeweils einhergehende populistische Reaktionsweisen, macht Dämonisierungen und mit ihnen die Figur des Teufels weiterhin zu einem Thema, das Systematische Theologie auch zum Schutz von Personen kritisch begleiten muss.

    Mit Bekker gilt, wie aktualisiert mit Blick auf den epistemischen, ethischen und biblischen Kontext gezeigt werden kann: „Satansgläubigkeit“ kann weder durch die Vernunft noch durch die Schrift gerechtfertigt werden;62Vgl. Flasch, Teufel, 294. was bekanntermaßen Martin Luther oes-gnd-iconwaiting... in anderem Zusammenhang, aber auch Huldrych Zwingli oes-gnd-iconwaiting..., für doppelt maßgeblich erachteten.63Vgl. beispielhaft Huldrych Zwingli, Göttliche und menschliche Gerechtigkeit, in: Schriften I, hrsg. v. Thomas Brunnschweiler u. Samuel Lutz, Zürich 1995, 155–214, 202–203. Daher erhebt Friedrich Schleiermacher oes-gnd-iconwaiting... diese Überzeugung zu einem gewissen, aber keineswegs unangefochten theologischen Allgemeingut und rehabilitiert den frühen Teufelskritiker Bekker: „Die Vorstellung vom Teufel, wie sie sich unter uns ausgebildet hat, ist so haltungslos, dass man eine Überzeugung von ihrer Wahrheit niemandem zumuten kann.“64Schleiermacher, Glaube, 211. Die „kritisch-befreiende Funktion“65Kasper, Problem, 64. der neutestamentlichen Rede von Teufel und Dämonen stellt weiterhin eine Aufgabe der Systematischen Theologie dar, weil die Deutung dieser Figur zum Nachteil der Freiheit und nicht zu ihrer Bewahrung eine notorische Gefahr religiöser und politischer Funktionalisierungen bleibt. Auf die Frage nach den Ursachen ist der Rekurs auf den Teufel jedoch stets ein short-cut, der weder der biblischen noch der theologischen Komplexität personhaften Bösen gerecht wird. Das Problem der Verteufelung oder Dämonisierung besteht in einer doppelten Dehumanisierung: Personen werden im einen Fall nicht mehr als verantwortungsfähig und im anderen Fall nicht mehr als berücksichtigungsfähig verstanden. Beides stellt ein Problem für die Realisation des Guten dar.

    Weiterführende Literatur

    Eming, Jutta/Fuhrmann, Daniela, Der Teufel und seine poietische Macht. Eine Einführung, in: Dies. (Hrsg.), Der Teufel und seine poietische Macht in literarischen Texten vom Mittelalter zur Moderne, Berlin/Boston 2021, 1–24.

    Flasch, Kurt, Der Teufel und seine Engel. Die neue Biographie, München 2015.

    Goldberg, Zachary J., Das Böse konzipieren. Probleme und Lösungen, in: Noller, Jörg (Hrsg.), Über das Böse. Interdisziplinäre Perspektiven, Freiburg/München 2020, 148–168.

    Kravitz, Amit, Von der besonderen Schwierigkeit, die jüdische Sicht auf das Böse darzulegen. Lehre, Quelle und Kluft zwischen geschichtlicher Erfahrung und Philosophie, in: Noller, Jörg (Hrsg.), Über das Böse. Interdisziplinäre Perspektiven, Freiburg/München 2020, 15–33.

    Kreiner, Armin, Das Böse zwischen Supranaturalismus und Naturalismus, in: Noller, Jörg (Hrsg.), Über das Böse. Interdisziplinäre Perspektiven, Freiburg/München 2020, 34–45.

    Noth, Isabelle/Wirth, Mathias, „Satanic Panic“. Praktisch- und systematisch-theologische (Auf-) Klärungen zu sogenannter organisierter ritueller Gewalt, in: Praktische Theologie 58 (2023), 232–240.

    Polke, Christian, Vom Bösen. Ethisch-theologische Erkundungsgänge, in: Gräb-Schmidt, Elisabeth/Kumlehn, Martina (Hrsg.), Das Böse (Marburger Theologische Studien 143), Leipzig 2024, 119–136.

    Schulz, Heiko, „Das Übel existiert“. Die dritte Prämisse des Theodizeeproblems als philosophische und theologische Herausforderung, in: Gräb-Schmidt, Elisabeth/Kumlehn, Martina (Hrsg.), Das Böse (Marburger Theologische Studien 143), Leipzig 2024, 56–85.

    Stokes, Ryan E., The Satan. How God’s Executioner Became the Enemy, Grand Rapids 2019.

    Stokes, Ryan E., What is a Demon, What is an Evil Spirit, and What is a Satan?, in: Dochhorn, Jan et al. (Hrsg.), Das Böse, der Teufel und Dämonen, Tübingen 2016, 259–272.

    Walton, John H., Demons and Spirits in Biblical Theology, Eugene 2019.

    Wirth, Mathias, Warum diabolische Geschlechtlichkeit nicht diabolisch ist. Über Trans/Gender und die ewigen Diagnosen des Bösen, in: Praktische Theologie 56 (2021), 83–89.

    Wischmeyer, Oda, Zwischen Gut und Böse. Teufel, Dämonen, das Böse und der Kosmos im Jakobusbrief, in: Dochhorn, Jan et al. (Hrsg.), Das Böse, der Teufel und Dämonen, Tübingen 2016, 153–168.

    Einzelnachweise

    • 1
      Vgl. Wirth, Mathias, Warum diabolische Geschlechtlichkeit nicht diabolisch ist. Über Trans/Gender und die ewigen Diagnosen des Bösen, in: Praktische Theologie 56 (2021), 83–89, 84.
    • 2
      Vgl. Walton, John H., Demons and Spirits in Biblical Theology, Eugene 2019, 2.
    • 3
      Vgl. Schleiermacher, Friedrich, Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche 2, Berlin 21831, 211 und Karl Barths oes-gnd-iconwaiting... Zurückweisung der Möglichkeit einer Dämonologie aufgrund ihres Ausbleibens in der Schrift („Sie deutet mehr an, als dass sie lehrt“), siehe Barth, Karl, Die kirchliche Dogmatik III/3, 612.
    • 4
      Vgl. Kasper, Walter, Das theologische Problem des Bösen, in: Ders./Lehmann, Karl (Hrsg.), Teufel, Dämonen, Besessenheit. Zur Wirklichkeit des Bösen, Mainz 1978, 41–69, 64 sowie Lehmann, Karl, Der Teufel – ein personales Wesen, in: Kasper, Walter/ders. (Hrsg.), Teufel, Dämonen, Besessenheit. Zur Wirklichkeit des Bösen, Mainz 1978, 71–98, 72, der hier von einer „massive[n] Überdetermination der sogenannten Personalität des Teufels im Zusammenhang der Phänomene dämonischer Besessenheit“ ausgeht und damit Vorstellungen von agentiellen Möglichkeiten des Teufels, die direkte Wirkungen auf Personen haben, kritisiert.
    • 5
      Vgl. Stokes, Ryan E., The Satan. How God’s Executioner Became the Enemy, Grand Rapids 2019, 6–7.
    • 6
      Vgl. Stokes, Satan, 3.
    • 7
      Vgl. Stokes, Satan, 221.
    • 8
      Vgl. Stokes, Satan, 8–9.
    • 9
      Vgl. Stokes, Satan, 197.
    • 10
      Vgl. Stokes, Satan, 202.
    • 11
      Vgl. Schumacher, Meinolf, Der Teufel als Tausendkünstler. Ein wortgeschichtlicher Beitrag, in: Mittellateinisches Jahrbuch 27 (1993), 65–76, hier 65 und dazu Eming/Fuhrmann, Der Teufel, 5.
    • 12
      Vgl. Noth, Isabelle/Wirth, Mathias, „Satanic Panic“. Praktisch- und systematisch-theologische (Auf-) Klärungen zu sogenannter organisierter ritueller Gewalt, in: Praktische Theologie 58 (2023), 232–240, 234.
    • 13
      Vgl. Eming, Jutta/Fuhrmann, Daniela, Der Teufel und seine poietische Macht. Eine Einführung, in: Dies. (Hrsg.), Der Teufel und seine poietische Macht in literarischen Texten vom Mittelalter zur Moderne, Berlin/Boston 2021, 1–24, 7.
    • 14
      Vgl. Flasch, Kurt, Der Teufel und seine Engel. Die neue Biographie, München 2015, 65.
    • 15
      Vgl. Goldberg, Zachary J., Das Böse konzipieren. Probleme und Lösungen, in: Noller, Jörg (Hrsg.), Über das Böse. Interdisziplinäre Perspektiven, Freiburg/München 2020, 148–168, 148–149.
    • 16
      Vgl. Kreiner, Armin, Das Böse zwischen Supranaturalismus und Naturalismus, in: Noller, Jörg (Hrsg.), Über das Böse. Interdisziplinäre Perspektiven, Freiburg/München 2020, 34–45, 38.
    • 17
      Vgl. Goldberg, Böse, 150.
    • 18
      Vgl. Goldberg, Böse, 151.
    • 19
      Goldberg, Böse, 162.
    • 20
      Kreiner, Böse, 42.
    • 21
      Schulz, Heiko, „Das Übel existiert“. Die dritte Prämisse des Theodizeeproblems als philosophische und theologische Herausforderung, in: Gräb-Schmidt, Elisabeth/Kumlehn, Martina (Hrsg.), Das Böse (Marburger Theologische Studien 143), Leipzig 2024, 56–85, 67.
    • 22
      Vgl. Kreiner, Böse, 40 sowie Noth/Wirth, Panic, 234.
    • 23
      Wischmeyer, Oda, Zwischen Gut und Böse. Teufel, Dämonen, das Böse und der Kosmos im Jakobusbrief, in: Dochhorn, Jan et al. (Hrsg.), Das Böse, der Teufel und Dämonen, Tübingen 2016, 153–168, 162.
    • 24
      Stokes, Satan, 1.
    • 25
      Vgl. Stokes, Satan, 1 und Walton, Demons, 51.
    • 26
      Flasch, Teufel, 15.
    • 27
      Vgl. Wirth/Noth, Panic.
    • 28
      Vgl. Flasch, Teufel, 203.
    • 29
      Vgl. Flasch, Teufel, 189.
    • 30
      Eming/Fuhrmann, Teufel, 2.
    • 31
      Goethe, Johann Wolfgang, Faust (Sämtliche Werke I 7/1), 1336.
    • 32
      Vgl. Goethe, Faust, 1336.
    • 33
      Goethe, Faust, 8.
    • 34
      Vgl. Goethe, Faust, 11.
    • 35
      Vgl. Goethe, Faust, 11.
    • 36
      Vgl. Flasch, Teufel, 62 und Goldberg, Böse, 162–163.
    • 37
      Vgl. Goldberg, Böse, 165.
    • 38
      Mit Bezug auf Hans Jonas oes-gnd-iconwaiting..., vgl. Kravitz, Amit, Von der besonderen Schwierigkeit, die jüdische Sicht auf das Böse dazulegen. Lehre, Quelle und Kluft zwischen geschichtlicher Erfahrung und Philosophie, in: Noller, Jörg (Hrsg.), Über das Böse. Interdisziplinäre Perspektiven, Freiburg/München 2020, 15–33, 16.
    • 39
      Vgl. Stokes, Satan, 2.
    • 40
      Vgl. Polke, Christian, Vom Bösen. Ethisch-theologisch Erkundungsgänge, in: Gräb-Schmidt, Elisabeth/Kumlehn, Martina (Hrsg.), Das Böse (Marburger Theologische Studien 143), Leipzig 2024, 119–136, 120.
    • 41
      Zitiert nach Eming/Fuhrmann, Teufel, 15.
    • 42
      Zitiert nach Eming/Fuhrmann, Teufel, 17.
    • 43
      Flasch, Teufel, 387.
    • 44
      Vgl. Flasch, Teufel, 327.
    • 45
      Flasch, Teufel, 391.
    • 46
      Vgl. Flasch, Teufel, 384.
    • 47
      Vgl. Wischmeyer, Teufel, 163.
    • 48
      Vgl. Noth/Wirth, Panic, 235.
    • 49
      Vgl. Flasch, Teufel, 207.
    • 50
      Vgl. Kreiner, Böse, 41.
    • 51
      Vgl. Kreiner, Böse, 42.
    • 52
      Vgl. Kreiner, Böse, 44.
    • 53
      Vgl. Kreiner, Böse, 45.
    • 54
      Vgl. Goldberg, Böse, 151.
    • 55
      Vgl. Stokes, Ryan E., What is a Demon, What is an Evil Spirit, and What is a Satan?, in: Dochhorn, Jan et al. (Hrsg.), Das Böse, der Teufel und Dämonen, Tübingen 2016, 259–272, 267.
    • 56
      Vgl. Walton, Demons, 257, der sich hier auf Eph 6,12 bezieht.
    • 57
      Flasch, Teufel, 381.
    • 58
      Flasch, Teufel, 207
    • 59
      Das gilt in gewisser Hinsicht auch für die theologische Vorstellung von Sünde und ihrer Macht, die nach wie vor wirkmächtig in diesem Leben, auch in dem von Christ*innen, gedacht wird. Durch das Erlösungshandeln ist die Sünde aber bereits so adressierbar, dass sich Menschen gerade nicht ständig anklagen müssen.
    • 60
      Flasch, Teufel, 295.
    • 61
      Vgl. Flasch, Teufel, 327.
    • 62
      Vgl. Flasch, Teufel, 294.
    • 63
      Vgl. beispielhaft Huldrych Zwingli, Göttliche und menschliche Gerechtigkeit, in: Schriften I, hrsg. v. Thomas Brunnschweiler u. Samuel Lutz, Zürich 1995, 155–214, 202–203.
    • 64
      Schleiermacher, Glaube, 211.
    • 65
      Kasper, Problem, 64.
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