Zukunft

Der Artikel behandelt die Zukunft zunächst im Allgemeinen von der Zukunftserfahrung und ihrer sprachlichen Erfassung ausgehend hinsichtlich sprachlicher Logiken der Zukunft und deren ontologischen, d. h. die Existenz betreffenden Realitätszuschreibungen (1–4). Speziell theologische Aspekte werden durch die Unterscheidung von Futur und Advent, deren Bedeutung für die Ethik, verschiedene Vorstellungen von Eschatologie, die sich an unterschiedlichen Konzeptionen des Reiches Gottes ausrichten, der Apokalyptik, Utopien und Dystopien sowie der Hoffnung auf die Vollendung der Welt entfaltet (5–10). Der letzte Abschnitt zeigt, dass sich Zukunftsvorstellung und Gotteslehre wechselseitig bedingen (11).

Inhaltsverzeichnis

    1. Phänomenologisch

    Welche Erfahrungsbasis hat die Rede von der Zukunft? Zukunft ist ein Aspekt der Zeiterfahrung. Damit betrifft sie nicht eine Einzelerfahrung bzw. ein bestimmtes Phänomen, d. h. Erscheinendes, sondern ist ein Aspekt des Werdens oder Erscheinens und damit des Wahrnehmens selbst: Jedes Wahrnehmen ist das Wahrnehmen von Bewegtem. Dabei hat jede Bewegung einen sog. retentionalen Aspekt – also eine Sequenz, von der die Bewegung herkommt, und einen protentionalen Aspekt, womit eine Sequenz gemeint ist, zu dem die Bewegung hinführt.1Vgl. Förster-Beuthan, Yvonne, Zeiterfahrung und Ontologie. Perspektiven moderner Zeitphilosophie, München et al. 2012, 26–52; Merleau-Ponty, Maurice, Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966, 473. Dieser protentionale Aspekt, zu dem eine konkrete Bewegung hinführt, ist die phänomenale Erfahrung von Zukunft. Sie ist nicht an ein höheres Bewusstsein gekoppelt: Auch eine zum Sprung bereite Katze ist auf das Ankommen auf einem bestimmten Ast protentional ausgerichtet. Auch ein fallender Stein ist protentional auf das Aufschlagen auf einen bestimmten räumlichen Bereich, der wahrscheinlicher ist als andere, ausgerichtet. Dieser protentionale Aspekt von Bewegungen bzw. von Geschichten schließt damit immer auch die anderen Modi der Zeit (den retentionalen, vergangenen Aspekt und die Gegenwart), die Räumlichkeit, sowie die Modalitäten ein, und zwar so, dass dem zukünftigen Aspekt die Modalität der Möglichkeit im Unterschied zur Wirklichkeit (die der retentionalen Vergangenheit angehört) zuzusprechen ist.2Vgl. Herms, Eilert, „Meine Zeit in Gottes Händen“, in: Stock, Konrad (Hrsg.), Zeit und Schöpfung, München 1997, 67–90, 71; Ricœur, Paul, Zeit und Erzählung I, München 2007, 15f; ders., Zeit und Erzählung III, München 2007, 417f.

    2. Sprachliche Erfassungen der Zukunft

    Wie wird das Erscheinen der Zukunft sprachlich ausgedrückt? Die meisten sprachlichen Erfassungen der Zukunft stammen aus dem räumlichen Bereich, der an sich anschaulicher ist als der zeitliche Aspekt des Werdens: Wir sprechen z. B. a) von Wochen, die vor uns liegen oder von b) den dieser Woche folgenden Wochen. Beides sind räumliche Bilder, aber im genannten Beispiel wird zwischen (a) und (b) normalerweise kein Widerspruch empfunden, obwohl räumlich betrachtet ein solcher vorhanden ist. In einem Stau sind die vor uns fahrenden Autos etwas anderes, als die folgenden. Beide sprachlichen Formulierungen der Zukunft, a) und b), sind unterschiedlichen Bewegungsvorstellungen entnommen: Die Rede von vor uns liegenden Erfahrungen (a) betrachtet das Werdensgefüge als statisch, während der Erfahrende sich durch es hindurch nach vorne bewegt. Die Rede von folgenden Erfahrungen (b) betrachtet den Erfahrenden als ruhend, während die Ereignisse, aus der Zukunft kommend, durch ihn hindurch schreiten. Damit kann die Zukunft als primär aktives in die Zukunft Schreiten oder als passives Widerfahrnis dessen, was auf einen zukommt, verstanden werden.3Vgl. Lakoff, George/Johnson, Mark, Metaphors We Live by. With a New Afterword, Chicago/London 22003, 41–44.

    3. Logiken der Zukunft

    Mit welchen Wahrscheinlichkeiten und mit welchen affektiven Qualitäten wird die Zukunft beschrieben? Zwei Logiken greifen auf die Zukunft aus, eine kognitive und eine affektive Logik mit ihren Unterscheidungen:

    Die kognitive Logik sieht das Feld der Zukunft vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Vergangenem, das den Erwartungshorizont, d. h. die Menge dessen, was man erwarten kann, konstituiert, als durch die folgenden Unterscheidungen strukturiert an:

    • Das Erwartete = das nicht Überraschende und Erwartbare: Das mögliche Zukünftige wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwartet, weil es in der Mitte unseres Erwartungshorizonts steht. Beispiele: Die Erwartung, dass auf Montag Dienstag folgt, dass die Schwerkraft zur Erde hin und nicht von ihr weg wirkt, etc.
    • Das prospektiv Überraschende = das nicht Erwartete, aber Erwartbare: Hier geht es um Überraschungen, die man für unwahrscheinlich hält, die aber theoretisch erwartet werden könnten, weil sie eine neue Zusammensetzung dessen bilden, was durch den bisherigen Erwartungshorzizont bekannt sein kann: Es geht um Ereignisse, die sich innerhalb des Erwartungshorizonts, aber an dessen Rand befinden. Beispiele: Der eigene Lottogewinn, dass man selbst zum Minister für Verteidigung und Theologie ernannt wird, etc. Der ganze Bereich der Phantasie gehört in diesen Bereich.
    • Das absolut retrospektiv Überraschende = das nicht Erwartete und nicht Erwartbare: Hier geht es um zukünftige Überraschungen, die in keiner Weise prospektiv geahnt oder versprachlicht werden können, weil Ereignisse auftreten, die sich außerhalb des Erwartungshorizonts befinden, die also nicht erahnbar sind. Dass es sich dabei um Überraschungen handelt, ist dann auch erst retrospektiv diagnostizierbar.
    • Das relativ retrospektiv Überraschende = das Erwartete nicht Erwartbare: Hier gibt es innerhalb des Erwartungshorizonts überzeugende Gehalte, dass man in Zukunft überrascht werden wird, ohne dass man weiß, wodurch: Beispiel: Bei sehr guten oder sehr schlechten Geburtstagsüberraschungen weiß man, dass man an einem bestimmten Tag überrascht werden wird, allerdings nicht, womit. Theologisch kann hier die Auferstehungshoffnung verankert werden.4Vgl. Mühling, Markus, Post-Systematische Theologie I. Denkwege – Eine theologische Philosophie, Leiden/Paderborn 2020, 181–183.

    Die affektive Logik strukturiert die Zukunft nach der Unterscheidung von Lust, Unlust und Indifferenz (Ununterschiedenheit), sowie von Intentionalität (selbstgewählte Zielbestimmung) und Attentionalität (Zielbestimmung durch Aufmerksamkeit auf Widerfahrnisse) in das Erhoffte und Befürchtete, das Spannende, Langweilige und Störende. Nicht wertlose Fakten werden wahrgenommen, sondern wertgeladene Ereignisse, die in der ökologischen Psychologie affordances oder Wahrnehmungscharaktere genannt werden.5Vgl. Gibson, James Jerome, The Ecological Approach to Visual Perception, New York/London 2015, 120. Diese besitzen relativ zum Wahrnehmenden einen realen Wert.6Vgl. Fuchs, Ernst, Values as Relational Phenomena. A Sketch of an Enactive Theory of Values, in: Mühling, Markus et al. (Hrsg.), Perceiving Truth and Value, Göttingen 2020, 19–36, 28–30. Daher kann das Erwartete und Überraschende auch in das Erhoffte und Befürchtete eingeteilt werden. Grundlegend sind zwei Arten dieser Unterscheidung, eine vitale und eine lebensgeschichtliche Unterscheidung:

    • Die vitale Unterscheidung unterteilt das Erhoffte und Befürchtete nach den vitalen Bedürfnissen des Wahrnehmenden (Hunger, Überfluss, körperliche Verletzungen, körperliche Freuden, etc.).
      Die lebensgeschichtliche Unterscheidung orientiert sich daran, ob die Zielfindung des eigenen Handelns intentional – d. h. nach gewählten Zielen vor dem eigentlichen Handeln oder Geschehen – oder attentional – also in Aufmerksamkeit auf die wiederfahrenden affordances – erfolgt: Wenn die Zielfindung intentional7Vgl. Ingold, Tim, The Life of Lines, London/New York 2015, 144f. erfolgt, indem ein längerer Handlungszusammenhang von vornherein auf ein beabsichtigtes Ziel ausgerichtet ist, können die zukünftigen, dem Handelnden widerfahrenden Ereignisse für dieses Ziel hemmend, förderlich oder indifferent sein, d. h. die zukünftigen Ereignisse bekommen ihren Wert von der intentionalen, absichtlichen Zielwahl des Handelnden.
    • Eine attentionale8Vgl. Ingold, Life, 133.146.152. Zielwahl erfolgt, wenn der Handelnde seine Ziele während seiner Lebensgeschichte kontinuierlich durch die Aufmerksamkeit auf das Wahrgenommene gestaltet und revidiert. Was unter der Haltung einer intentionalen Lebensführung als Befürchtung erscheint (z. B. eine schlechte Note in einem bestimmten Schulfach) kann unter der Haltung der attentionalen Zielwahl spannend und positiv erscheinen, weil es die Richtung eigenen Handelns ändert.

    4. Ontologisierungen

    Die oben genannten Erfahrungen von Zukunft erscheinen nie in reiner phänomenaler Form, sondern stets im Zusammenhang mit Auffassungen über den Realitätsstatus von Zukunft und Zeit. Welche Alternativen gibt es hier? Die phänomenale Grundlegung der Zukunft, ihre sprachliche und logische Erfassung, erfolgt nie getrennt von bestimmten Ontologisierungen, d. h. von bestimmten Existenzunterstellungen. Diese beziehen sich zwar mitunter auch alleine auf die Zukunft, sind aber in der Regel verbunden mit Ontologisierungen der Zeit an sich. Beispielsweise sind folgende Arten zu nennen:

    1. Zukunft und Zeit haben keinen Realitätscharakter, sondern sind als solche Illusionen oder abhängig von anderen Sachverhalten: So existiert bei Augustin oes-gnd-iconwaiting... nur die Gegenwart, während die Zukunft keinen eigenen Wert hat, sondern nur die Gegenwart der Zukunft (als gegenwärtige Erwartung) ist. Da die Zeit als distentio animi (Ausdehnung der Zeit) nur eine Realität in der gefallenen geschaffenen Seele hat, ist die Erlösungshoffnung des Menschen streng betrachtet keine Zukunftshoffnung, sondern die Hoffnung, von dieser Ausdehnung der Zeit (und damit von der Zukunft) befreit zu werden.9Vgl. Augustinus, Confessiones 11, XXIII,29; 11, XX,26; 11, XXX,40; 11, XXIX,39. Andere Beispiele sind Kants oes-gnd-iconwaiting... Auffassung, dass es sich bei der Zeit und damit bei der Zukunft um Anschauungsformen handelt, die nicht dem Ding an sich, sondern dem Erkennenden, zuzurechnen sind,10Vgl. Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, B46–57. oder McTaggarts oes-gnd-iconwaiting... Behauptung der Irrealität der Zeit.11Vgl. McTaggart, John M. E., The Unreality of Time, in: Mind 17 (1908), 457–474.
    2. Zukunft und Zeit haben statischen Realitätscharakter: Hier hat die Zeit zwar eine Realität, allerdings keine dynamische. Ontisch reduziert sich die Zukunft auf das zu Erwartende, während das Überraschende in all seinen Formen nur durch die kognitiven Defizite der Wahrnehmenden bedingt ist, aber selbst keine Realität hat. Die Zukunft steht fest, weil die Realität deterministischen Gesetzten folgt, ob diese nun kausal oder theistisch verstanden werden. In diesen Fällen wäre das Sich-Ereignen ein perspektivischer Schein eines ewig ohne Veränderung bestehenden Blockuniversums.12Vgl. Minkowski, Hermann, Raum und Zeit, in: Lorentz, Hendrik A. et al. (Hrsg.), Das Relativitätsprinzip, Darmstadt 61958, 54–66. Während aus einer Gottesperspektive die Zeit mit ihrer Erstreckung ein quasiräumliches, unveränderliches Gebilde wäre, erscheint aus der Perspektive der Wahrnehmenden die Veränderung dadurch, dass sich die Wahrnehmenden durch dieses Gebilde in eine Richtung bewegen. Die Auffassungen von Boethius oes-gnd-iconwaiting..., im Mittelalter, Schleiermacher oes-gnd-iconwaiting..., Ritschl oes-gnd-iconwaiting..., Einstein oes-gnd-iconwaiting... und vielen anderen sind hier einzuordnen.13Vgl. für die Literatur im Detail Mühling, Markus, Post-Systematische Theologie II. Gottes trinitarisches Liebesabenteuer: Dreieiniges Werden, ökologische Schöpfungswege, Menschen und Ver-rückung, Leiden/Paderborn 2023, 231f. Mitunter kann bei solchen Auffassungen auch versucht werden, die Zeit und damit die Zukunft ihres basalen Charakters zu entkleiden und sie nur als abgeleitete Größe zu verstehen. Die kausaltheoretische Reduktion (Swinburne oes-gnd-iconwaiting...) besagt, dass das, was durch Ursachen beeinflussbar ist, zukünftig ist.14Vgl. Swinburne, Richard, The Christian God, Oxford 1994, 81. Die entropietheoretisch-physikalistische Reduktion (Hawking oes-gnd-iconwaiting... u. a.) besagt, dass Entropiesteigerungen die Zukunft definieren.15Vgl. Kampen, Nico G. van, Entropie, in: Plus Lucis 97/3 (1997), 7–8; Lebowitz, Joel L., Time’s Arrow and Boltzmann’s Entropy, in: Scholarpedia 3/4 (2008) (http://www.scholarpedia.org/article/Time’s_arrow_and_Boltzmann’s_entropy), abgerufen am 10.06.2025; Hawking, Stephen, A Brief History of Time, London 1995, 147–155.
    3. Zukunft und Zeit haben dynamischen Realitätscharakter: Während die Modelle A und B dadurch gekennzeichnet sind, dass sie die in 1–3 beschriebenen Aspekte der Erfahrungen von Zukunft zum Teil als Schein erklären müssen, sieht diese dritte Auffassung der Zukunft alle in 1–3 beschriebenen Zukunftserfahrungen als real an. Das bedeutet insbesondere, dass nicht nur das Erwartete und Erwartbare, sondern auch das nicht Erwartete und nicht Erwartbare, d. h. absolute Neuheit, zur Zukunft gehört. Dies ist ontisch indessen nur dann denkbar, wenn die Zukunft nicht die kausale Folge aller Ursachen der Vergangenheit ist, sondern die Zukunft selbst teilweise als determiniert, teilweise als indeterminiert angenommen werden muss. Die Zukunft ist damit nicht nur das Mögliche, noch nicht Reale, sondern auch das Kontingente, noch nicht Reale.

    5. Futur und Advent

    Gerade im Christentum, dass von dem Gedanken der Parusieerwartung und der eschatischen Vollendungshoffnung her auf Zukunft bezogen ist, stellt sich die Frage, wie sich diese christliche Rede von der Zukunft zur Alltagsrede und zu nicht-theologischen Auffassungen von der Zukunft verhält. Theologisch grundlegend ist die Unterscheidung zwischen Futur und Advent, die sich zwar zu allen Zeiten findet, aber insbesondere bei der Renaissance futurischer Eschatologien bei Theologen wie Teilhard de Chardin oes-gnd-iconwaiting..., Pannenberg oes-gnd-iconwaiting..., Moltmann oes-gnd-iconwaiting... u. a. im 20. Jh. eine wichtige Rolle spielt.16Vgl. Teilhard de Chardin, Pierre, Der göttliche Bereich. Ein Entwurf des inneren Lebens, Olten et al. 1962, 189; Moltmann, Jürgen, Theologie der Hoffnung, München 1964, 12; Pannenberg, Wolfhart, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, in: ders. (Hrsg.), Offenbarung als Geschichte, Göttingen 1961, 91–114, 95–98. Futur ist dabei die durch Extrapolationen der Gegenwart prognostizierbare Zukunft. Ethisch kann auf diese beispielsweise in der Technikfolgeabschätzung17Vgl. exemplarisch Grunwald, Armin, Technologiefolgeabschätzung. Eine Einführung, Berlin 22010. „zugegriffen“ werden. Bestünde die Zukunft nur aus Futur, wäre Ontologiemodell C der nichtdeterministischen, dynamischen Zukunft ausgeschlossen. Die Redeweise, dass man sich in die Zukunft bewegt, ist hier die adäquate Sprechweise. Dagegen steht die christliche Behauptung, dass die Zukunft entweder ganz oder zumindest z. T. als Advent zu verstehen ist, d. h. als Ankunft oder Ankommen der erfüllten Zeit der Zukunft [vgl. Art. Reich Gottes (dogmatisch)], in die man nicht aktiv schreiten kann, sondern die einem nur passiv widerfährt. Sie ist nicht extrapolierbar, aber dennoch unter der Offenbarung erwartbar, weil der Advent der Logik des relativ retrospektiv Überraschenden entspricht.

    6. Ethik

    Die Zukunft spielt auch beim Begriff menschlichen Handelns eine Rolle. Daher kann gefragt werden, in welcher Weise die Zukuft auch von ethischer Bedeutung ist. Im Folgenden sollen einige Beispiele genannt werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Mit Futur und Advent sind verschiedene Ethiktypen korreliert. Verantwortungsethiken und am Erfolg orientierte Güterethiken sind neben dem Mittel der schon genannten Technikfolgeabschätzung die wesentlichen Kennzeichen einer als Futur gesehenen Zukunft. Ethiken der Hoffnung, zu der neben Jürgen Moltmanns oes-gnd-iconwaiting... Ethik insbesondere auch die Ethiken der Befreiungstheologien und der Black Theology18Vgl. Moltmann, Jürgen, Ethik der Hoffnung, Gütersloh 2010; Gutiérrez, Gustavo, Theologie der Befreiung, München et al. 91986, 223; Cone, James H., A Black Theology of Liberation, Philadelphia et al. 51970. gezählt werden können, sind hingegen am Advent orientiert: Hier ist aktives Handeln, insbesondere Widerstand, auch dann geboten, wenn alle Prognosen und Extrapolationen den Misserfolg des Handelns vorhersagen, weil nicht das prognostische Futur, sondern der Advent Jesu Christi die Zukunft und menschliches Leben bestimmt.

    7. Reich Gottes und Eschatologietypen

    Die letztgültige Heilshoffnung im Christentum richtet sich auf die Vollendung des Reiches Gottes. Die Vorstellungen, wie dieses Heil aufgefasst wird, variiert allerdings, je nachdem, wie das Verhältnis von Reich Gottes und Zukunft bzw. Zeit verstanden wird. Welches sind hier die wesentlichen Alternativen? Die Reich Gottes-Verkündigung Jesu ist von ihrem ältesten Zeugnis her in Mk 1,14f.[14] Nachdem aber Johannes überantwortet war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes [15] und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!Zur Bibelstelle sowohl an die Zukunft als auch an die Gegenwart gebunden. Die damit der Theologie aufgegebene Gemengelage von zukünftigem und gegenwärtigem Heil inklusive der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten verlässt die gesamte Theologiegeschichte nicht mehr. Dies lässt sich insbesondere an der Stellung des Heils zur Zukunft (als Advent oder/und Futur) – d. h. an der Art der Eschatologie – erkennen. Während die Eschatologie, die erst seit der Altprotestantischen Orthodoxie so genannt wird, vorneuzeitlich in der Regel die innerweltlichen, zukünftigen Ereignisse vor der Transformation des jüngsten Gerichts sowie das darauf Folgende behandelt, tritt mit der Neuzeit eine sukzessive Diversifizierung ein.

    Im 18. und 19. Jh. wird in der Regel (u. a. unter dem Eindruck eines deterministischen Weltbildes) eine futurische Eschatologie aufgegeben und verschiedene Arten von präsentischer Eschatologie angenommen. Am radikalsten geschieht dies bei Albrecht Ritschl oes-gnd-iconwaiting..., bei dem das Reich Gottes das Reich der Zwecke, d. h. das Reich der Sittlichkeit in Gestalt des realisierten kategorischen Imperativs, bezeichnet. In der Perspektive von Gottes Ewigkeit als Gleichzeitigkeit ist dieses immer schon realisiert. Nur in der menschlichen Perspektive, wo der sittliche Zweck als gehemmt erscheint, so dass durch diese Zweckhemmung der Eindruck des Auseinandertretens von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geschieht, erscheint die Vollendung fälschlicherweise als zukünftig. Faktisch aber ist das Reich Gottes immer schon verwirklicht, wie auch Jesu Tod dessen Auferstehung ist, an der auch die christliche Vollkommenheit partizipiert, indem sich Christenmenschen in der Gegenwart nicht mehr von ihrem Zweck der Sittlichkeit durch Übel hemmen lassen.19Vgl. Ritschl, Albrecht, Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung III, Bonn 1888, 285–288. Bei Ritschls Schwiegersohn Johannes Weiß oes-gnd-iconwaiting... und Albert Schweitzer oes-gnd-iconwaiting... wird dann zwar zu Recht der futurische Rahmen der Verkündigung Jesu wieder erkannt, aber es erfolgt eine prinzipielle Ablösung der zeitgenössischen systematischen Eschatologie und Ethik, weil futurische Vorstellungen des Reiches Gottes in der jesuanischen Verkündigung als unbrauchbar erkannt werden.20Vgl. Hjelde, Sigurd, Das Eschaton und die Eschata. Eine Studie über Sprachgebrauch und Sprachverwirrung in protestantischer Theologie von der Orthodoxie bis zur Gegenwart, München 1987, 221–223.279–298.

    Spätestens mit der Wende zum 20. Jh. wird dann in unterschiedlicher Weise eine geschichtstranszendentale Eschatologie entwickelt, die beispielsweise bei Althaus oes-gnd-iconwaiting..., Bultmann oes-gnd-iconwaiting... und Tillich oes-gnd-iconwaiting... das Eschaton als transzendenten und transzendentalen Geschichtssinn interpretiert, der jeder zeitlichen Periode gleich weit, nämlich kategorial-transzendental, entfernt und begründend ist.21Vgl. Tillich, Paul, Eschatologie und Geschichte, in: Die christliche Welt 41 (1927), 1034–1042; Bultmann, Rudolf, Geschichte und Eschatologie, Tübingen 1958; Althaus, Paul, Die letzten Dinge. Entwurf einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 1924, 16–22.

    Von Dorner oes-gnd-iconwaiting... über Kähler oes-gnd-iconwaiting... und Barth oes-gnd-iconwaiting... zu Kreck oes-gnd-iconwaiting... entwickelt sich schließlich noch eine personale Eschatologie, die den Advent des Heils streng an die Person Christi bindet, in der die drei Zeitmodi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbunden sind.22Vgl. Hjelde, Das Eschaton und die Eschata, 193–201; Kähler, Martin, Dogmatische Zeitfragen II, Leipzig 1908, 490–491.500; Kreck, Walter, Die Zukunft des Gekommenen, München 1961.

    In der zweiten Hälfte des 20. Jh. kommt es dann, insbesondere bei Moltmann oes-gnd-iconwaiting... und Pannenberg oes-gnd-iconwaiting..., zu einer Wiederbelebung „futurischer“ Eschatologien, d. h. von Eschatologien, die den zukünftigen Aspekt des Heils und der Vollendung ernst nehmen, ohne dessen adventlichen Charakter aufzugeben.23Vgl. Moltmann, Theologie, 12; Pannenberg, Thesen, 95–98.

    8. Zukunft und Apokalyptik

    Neben der Hoffnung auf die letztgültige Vollendung, begehren Menschen auch stets, Kenntnisse über die innerweltliche Zukunft zu gewinnen. Dies ist die Problematik, ob und wie aus religiöser Sicht eine Kenntnis des Geschichtsverlaufs denkbar ist. In Laufe der frühjüdischen Literaturgeschichte entwickelte sich die Gattung der Apokalypsen (von gr. apolkalyptein, offenbaren). Hier wird in unterschiedlicher Weise eine Offenbarung des vergangenen und gegenwärtigen Weltgeschichtslaufs angenommen und in der Regel durch Deutungsgestalten dem Offenbarungsempfänger erschlossen. Im NT gehört das Buch Apk zu dieser Gattung, unterscheidet sich aber davon, dass es keine vollständige Weltgeschichtsschau bietet, sondern die jeweilige Gegenwart am Ende der geschichtlichen Ereignisse verortet. Damit bietet aber gerade die Apk keine Apokalyptik im strengen Sinne der Wortbedeutung, denn sie bietet keine Offenbarung des verborgenen Geschichtslaufs, sondern aktualisiert die Naherwartung.

    Weiterführende Infos WiBiLex

    Umfassende Informationen zur Apokalyptik im Alten und Neuen Testament finden sich in folgenden Artikeln:
    Beyerle, Stefan, Art. Apokalyptik (AT), in: WiBiLex (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/13517/), aberufen am 10.06.2025.
    Böttrich, Christfried, Art. Apokalyptik (NT), in WiBiLex (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/49908/), abgerufen am 10.06.2025.

    Während sich Aktualisierungen der Naherwartung des Endes der Geschichte immer wieder in der Christentumsgeschichte zu den unterschiedlichsten Zeiten finden, erlebt die Apokalyptik als Kenntnis der Regeln des Geschichtslaufs im strengen Sinne erst in der Neuzeit einen Aufschwung, und zwar in Gestalt einer säkularen Apokalyptik, die der Aufklärung zu eigen ist (Lessing oes-gnd-iconwaiting..., Hegel oes-gnd-iconwaiting..., Marx oes-gnd-iconwaiting... u. a.), und in Gestalt einer christianisierten Apolalyptik, die diese moderne Einsicht in den Geschichtslauf nun mit traditionellen christlichen Mitteln ausdrückt.24Vgl. Schwarz, Hans, Die christliche Hoffnung, Göttingen 2002, 203–209; Mühling, Markus, Grundinformation Eschatologie. Theologie im Abenteuer der Hoffnung, Göttingen 22022, 261–286. Die Differenz der Moderne zur Vormoderne lässt sich dabei in der Basismetapher des Verständnisses der Zukunft sehen: Während vormodern die Zukunft auf einen mehr oder weniger überraschend zukommt, so dass diese zu empfangen ist, hat der Mensch modern in die Zukunft zu schreiten und diese unter Kenntnis der offenbaren oder geoffenbarten Regeln der Geschichte aktiv zu gestalten.

    Sowohl die säkulare als auch die christianisierte Apokalyptik kann dabei in der Gestalt des Glaubens an eine positive Entwicklungsgeschichte oder des Glaubens an eine Verfallsgeschichte auftreten. Im englischsprachigen Christentum wird die christianisierte Variante des positiven Geschichtsbildes „Postmillenarismus“ genannt (die Geschichte entwickelt sich positiv bis zum Millennium, so dass Christus erst nach [= lat. post] dem Millennium erscheint),25Vgl. exemplarisch Rothe, Richard, Theologische Ethik II, Wittenberg 1969, 472f; Jewett Robert/Lawrence, John S., Captain America and the Crusade Against Evil, Grand Rapids 2003, 57.136. während die negative Variante „Prämillenarismus“ genannt wird (die Geschichte entwickelt sich als Verfallsgeschichte bis Christus auftritt um gegen die Tendenz das Millennium zu realisieren). Insbesondere die prämillenaristische Variante ist im Evangelikalismus weit verbreitet und stark wachsend, bis hin zu weltpolitischem Einfluss.26Vgl. Jewett/Lawrence, Captain, 138–147; Schwarz, Hoffnung, 91; Weber, Timothy P., Living in the Shadow of the Second Coming, Grand Rapids 1983, 137–141.204–226.274; Borger, Julian, „Brought to Jesus“. The Evangelical Grip on the Trump Administration, in: The Guardian, 11.01.2019 (https://www.theguardian.com/us-news/2019/jan/11/trump-administration-evangelical-influence-support), abgerufen am 10.06.2025.

    Im deutschsprachigen Protestantismus werden diese Millernarismen in der Regel abgelehnt, was auf den Einfluss Luthers oes-gnd-iconwaiting... zurückgehen dürfte, der die Ereignisse der Reformationszeit im Rahmen einer Naherwartung bereits als nach dem Millennium sich ereignend angesehen hat, so dass jegliche Einsicht in den Geschichtslauf obsolet ist. Er bezieht sich dabei auf die zeitliche Verortung des Millenius als Zeit der Kirche bei Augustin oes-gnd-iconwaiting....27Vgl. Augustinus, De civitate Dei, 20, 6–9;  BSLK, 72, 5–9. Entsprechend verwirft Art. 17 der Confessio Augustana [vgl. Art. Bekenntnis, (lutherisch)] apokalyptische Millenarismen.

    9. Utopien und Dystopien

    Die unter 3 genannte affektive Logik, sich der Zukunft unter der Unterscheidung von Hoffnung und Furcht zu nähern, kann auch auf die Geschichte als ganze bezogen werden. Wie sehen dann die wesentlichen Alternativen aus? Während in der Mitte des 20. Jh. technische, positive Utopien (= Eutopien) vorherrschend waren, nehmen in den nordwestlichen Kulturen seit der ökologischen Krise in den 1970er Jahren negative Utopien (= Dystopien) zu. Da die positiv-utopischen und dystopischen kulturellen Ausdrucksgestalten auch Symptome der Geisteshaltung sein können oder diese informieren, stellt sich in der Gegenwart angesichts des Überhandnehmens von Dystopien und negativen Prognosen, der Technikfolgeabschätzung etwa hinsichtlich der planetaren Grenzen, die Frage nach positiven Utopien und Ressourcen für zukunftsgestaltende Handlungsmotivationen im Rahmen der Hoffnung neu – freilich ohne dass darauf derzeit eine theologisch befriedigende Antwort gegeben werden könnte.

    10. Vollendung der Welt

    Die bisherigen theologischen Ausführungen haben die folgenden Implikationen, die Vollendung der Welt unterschiedlich zu denken, als innerzeitlich zukünftig oder als Zukunft jenseits der Zeit. Die Vollendung der Welt, die mit der Vollendung des Reiches Gottes zusammenfällt, wird in der christlichen Theologie in der Regel nicht als Entwicklungsresultat aus welthaftem Werden verstanden. Zwar müssen naturwissenschaftliche Eschatologien (Wärmetod, Big Crunch, etc.) auch theologisch betrachtet werden; allerdings ohne diese direkt theologisch zu übernehmen. Welthaftes Werden (d. h. Werden in der Gegenwart und in jedem denkbaren Futur) ist insgesamt von der Sünde, d. h. von einer Ver-rückung des welthaften Beziehungsgeschehens gekennzeichnet. Unter allgemeinreformatorischer Auffassung ist diese Ver-rückung mit innerweltlichen Mitteln prinzipiell nicht zu überwinden, wenn man am Prinzip der Rechtfertigung und Zurechtrückung allein aus Gnade festhalten will. Die Vollendung der Welt ist daher nur durch den Bruch und die Transformationen des Jüngsten Gerichts28Vgl. Mühling, Markus, Art. The Last Judgment, in: St Andrews Encyclopedia of Theology, 13.07.2023 (https://www.saet.ac.uk/Christianity/TheLastJudgment), abgerufen am 10.06.2025. zu verwirklichen, das sowohl Konstanz als auch Differenz zum gegenwärtigen Werden symbolisiert.

    Die beiden in der Theologiegeschichte oft als gegensätzlich verstandenen Optionen, ob die folgende Vollendung der Welt dann eine absolute Neuschöpfung nach einer annihilatio mundi (Vernichtung der Welt) oder eine Zurechtrückung dieser Welt bedeutet,29Vgl. exemplarisch jeweils einerseits Irenäus von Lyon, Adversus haereses, V,20,1; Thomas von Aquin, Summa Theologiae, 47, q2. a.2 und andererseits Gerhard, Johann, Loci Theologici, XXIX, 26. entpuppen sich damit letztlich als äquivalent. Die Frage, ob diese Vollendung der Welt eine innerweltliche letzte zukünftige Sequenz, das Ende der Geschichte, oder ein kategorial unterschiedenes, neues Werden darstellt, hängt davon ab, wie die Beziehung von Gott und Zukunft verstanden wird.

    11. Gott und Zukunft

    Theologisch ist die Verhältnisbestimmung von Zukunft und Gott entscheidend. Bestimmt die Auffassung der Zukunft das Gottesverständnis oder umgekehrt das Gottesverständnis das Zukunftsverständnis? Liegt gar eine wechselseitig symmetrische Beziehung vor? Hier sind verschiedene Modelle denkbar.

    • Wird, wie exemplarisch bei Augustin oes-gnd-iconwaiting..., Gottes Ewigkeit als Negation von Zeit und Sequenzialität verstanden,30Vgl. Augustinus, Confessiones, 11, XI,13. wird auch jegliche Zukunft in Gott selbst geleugnet. Ein positives Verhältnis Gottes zur Zukunft ist nicht denkbar.
    • Wird, wie exemplarisch bei Boethius oes-gnd-iconwaiting..., Gottes Ewigkeit als vollständige Integration von Zeit verstanden – so dass Gott wie ein Beobachter auf dem höchsten Gipfel alle Bewegungen im Tal, das die Zeit darstellt, gleichzeitig sieht –, sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig in Gott und stets und statisch verwirklicht.31Vgl. Boethius, Anicius M. S., Trost der Philosophie, V, 6p.
    • Bei der Ewigkeit als partieller Integration von Zeit (wie beispielsweise bei V. Brümmer oes-gnd-iconwaiting..., in der Prozessphilosophie und z. T. im Open Theism) ist zwar die Vergangenheit in Gottes Ewigkeit stets gegenwärtig, nicht aber die Zukunft, die möglich und offen bleibt, so dass Gott als die geschaffene Zeit begleitend gedacht wird.32Vgl. Brümmer, Vincent, Was tun wir, wenn wir beten? Eine philosophische Untersuchung, Marburg 1985, 40–44. Dieses Modell verschiebt Gottes Allwissen zur Kenntnis aller Möglichkeiten, nicht aller Aktualitäten und Gottes Allmacht zur Allkompetenz.33Vgl. Teuchert, Lisanne, Gottes transformatives Handeln, Göttingen  2018, 135–142.
    • Gottes Ewigkeit als Identifikation mit der Topologie der Zeit (ohne ihre Metrik) wie bei Swinburne oes-gnd-iconwaiting...,34Vgl. Swinburne, God, 143. führt zum Gedanken einer endlos offenen Zukunft für Gott, die deswegen Gott nicht zum Gefangenen der Zeit macht, weil die Offenheit der Zukunft von Gott gewünscht ist.

    Diese beschriebenen drei Operationen der Ewigkeit als Negation, vollständiger oder partieller Integration und Identifikation mit der Zeit oder ihren Aspekten beruht gewissermaßen auf einer natürlichen Theologie der Zeit, weil ausgehend von der Erfahrung der Zeitlichkeit, rationale Modifikationen vorgenommen werden, um so eine Konstruktion von Gottes Ewigkeit zu erhalten. Theologien, die strenger von einem Offenbarungsprinzip ausgehen, werden hier insofern einen Fehler diagnostizieren können, als die Erkenntnisordnung der mit Gott identischen Ewigkeit dann ebenfalls nicht mit rationalen Modifikationen der Zeiterfahrung, sondern mit der Selbstoffenbarung zu beginnen hätte.

    Folgt man diesem alternativem Ansatz, wird man sinnvollerweise offenbarungstheologisch vorgehen und zu einem transzendentalistischen Modell von göttlicher Ewigkeit und geschaffener Zeit kommen, wie es v. a. bei Theologen der trinitarischen Renaissance (Barth oes-gnd-iconwaiting..., Pannenberg oes-gnd-iconwaiting..., Jüngel oes-gnd-iconwaiting..., Moltmann oes-gnd-iconwaiting..., Jenson oes-gnd-iconwaiting..., Rahner oes-gnd-iconwaiting..., v. Balthasar oes-gnd-iconwaiting..., Schwöbel oes-gnd-iconwaiting..., Mühling oes-gnd-iconwaiting... u. a.) der Fall ist. Exemplarisch sei hier die eigene Position angeführt: Hier kommt Gottes Sein selbst Differenz (zwischen den Personen) und eine Geschichte mit Sequenzialität zu, die Gottes ewiges Leben ist. In dieser ereignishaften Ewigkeit gibt es stets einen Ursprung, eine Gegenwart und einen zukünftigen Advent, der aber nie außerhalb Gottes selbst liegt, sondern der Person des Geistes appropriiert werden kann (Jenson oes-gnd-iconwaiting...35Vgl. Jenson, Robert W., Systematic Theology I, New York 1997, 158–161.). Gott kann dann zwar überrascht werden, aber nur durch Gott selbst. Diese sequenzhaft strukturierte, d. h. narrative Ewigkeit des Werdens Gottes ist dann die Bedingung der Möglichkeit der geschaffenen Zeit und der geschaffenen Zukunft, ohne dass die narrative Ewigkeit mit der narrativen Zeit identisch werden würde. Gottes Handeln in Bezug zur Welt in der geschaffenen Geschichte, einschließlich Inkarnation und Kreuz, ist dann möglich, weil Werden und Veränderung dem Leben Gottes nichts Fremdes sind. Findet die geschaffene Zeit der Schöpfung ihre Bedingung der Möglichkeit im trinitarischen Leben Gottes selbst, handelt es sich letztlich um ein panentheistisches Modell.36Vgl. Mühling, Post-Systematische Theologie II, 234–237. Im Unterschied zum gefallenen Werden der Schöpfung koinzidieren im Werden Gottes stets wahre Kontingenz und Güte, so dass jede zukünftige Sequenz immer abenteuerlich gut ist.37Vgl. Mühling, Post-Systematische Theologie II, 56–86. Gott ist damit trinitarisch sein eigener Advent der Liebe. Für die geschaffene und gefallene Welt gilt dann, dass sich Gottes Advent immer an bestimmten Zeitpunkten im Futur der geschaffenen Zeit vollziehen kann, während die Vollendung des Reiches Gottes die Aufhebung und Aufbewahrung der geschaffenen Zeit in die trinitarische Ewigkeit selbst bedeutet. Damit wird jedes weitere Futur überflüssig, weil Gottes Advent dann unvermittelt und vollständig auch die Zukunft der Geschöpfe im harmonischen Zusammenklang von Kontingenz und Güte bedeutet.

    Weiterführende Literatur

    Förster-Beuthan, Yvonne, Zeiterfahrung und Ontologie. Perspektiven moderner Zeitphilosophie, München et al. 2012.

    Hawking, Stephen, A Brief History of Time, London 1995.

    Herms, Eilert, „Meine Zeit in Gottes Händen“, in: Stock, Konrad (Hrsg.), Zeit und Schöpfung, München 1997, 67–90.

    Hjelde, Sigurd, Das Eschaton und die Eschata. Eine Studie über Sprachgebrauch und Sprachverwirrung in protestantischer Theologie von der Orthodoxie bis zur Gegenwart, München 1987.

    Moltmann, Jürgen, Theologie der Hoffnung, München 1964.

    Mühling, Markus, Grundinformation Eschatologie. Theologie im Abenteuer der Hoffnung, Göttingen 22022.

    Mühling, Markus, Zeitfaktoren. Die Rolle von Zeitbegriffen in theologischen Systemkonstruktionen, in: Petzoldt, Matthias (Hrsg.), Theologie im Gespräch mit empirischen Wissenschaften, Leipzig 2012, 291–314.

    Ricœur, Paul, Zeit und Erzählung I–III, München 2007.

    Einzelnachweise

    • 1
      Vgl. Förster-Beuthan, Yvonne, Zeiterfahrung und Ontologie. Perspektiven moderner Zeitphilosophie, München et al. 2012, 26–52; Merleau-Ponty, Maurice, Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966, 473.
    • 2
      Vgl. Herms, Eilert, „Meine Zeit in Gottes Händen“, in: Stock, Konrad (Hrsg.), Zeit und Schöpfung, München 1997, 67–90, 71; Ricœur, Paul, Zeit und Erzählung I, München 2007, 15f; ders., Zeit und Erzählung III, München 2007, 417f.
    • 3
      Vgl. Lakoff, George/Johnson, Mark, Metaphors We Live by. With a New Afterword, Chicago/London 22003, 41–44.
    • 4
      Vgl. Mühling, Markus, Post-Systematische Theologie I. Denkwege – Eine theologische Philosophie, Leiden/Paderborn 2020, 181–183.
    • 5
      Vgl. Gibson, James Jerome, The Ecological Approach to Visual Perception, New York/London 2015, 120.
    • 6
      Vgl. Fuchs, Ernst, Values as Relational Phenomena. A Sketch of an Enactive Theory of Values, in: Mühling, Markus et al. (Hrsg.), Perceiving Truth and Value, Göttingen 2020, 19–36, 28–30.
    • 7
      Vgl. Ingold, Tim, The Life of Lines, London/New York 2015, 144f.
    • 8
      Vgl. Ingold, Life, 133.146.152.
    • 9
      Vgl. Augustinus, Confessiones 11, XXIII,29; 11, XX,26; 11, XXX,40; 11, XXIX,39.
    • 10
      Vgl. Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, B46–57.
    • 11
      Vgl. McTaggart, John M. E., The Unreality of Time, in: Mind 17 (1908), 457–474.
    • 12
      Vgl. Minkowski, Hermann, Raum und Zeit, in: Lorentz, Hendrik A. et al. (Hrsg.), Das Relativitätsprinzip, Darmstadt 61958, 54–66.
    • 13
      Vgl. für die Literatur im Detail Mühling, Markus, Post-Systematische Theologie II. Gottes trinitarisches Liebesabenteuer: Dreieiniges Werden, ökologische Schöpfungswege, Menschen und Ver-rückung, Leiden/Paderborn 2023, 231f.
    • 14
      Vgl. Swinburne, Richard, The Christian God, Oxford 1994, 81.
    • 15
      Vgl. Kampen, Nico G. van, Entropie, in: Plus Lucis 97/3 (1997), 7–8; Lebowitz, Joel L., Time’s Arrow and Boltzmann’s Entropy, in: Scholarpedia 3/4 (2008) (http://www.scholarpedia.org/article/Time’s_arrow_and_Boltzmann’s_entropy), abgerufen am 10.06.2025; Hawking, Stephen, A Brief History of Time, London 1995, 147–155.
    • 16
      Vgl. Teilhard de Chardin, Pierre, Der göttliche Bereich. Ein Entwurf des inneren Lebens, Olten et al. 1962, 189; Moltmann, Jürgen, Theologie der Hoffnung, München 1964, 12; Pannenberg, Wolfhart, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, in: ders. (Hrsg.), Offenbarung als Geschichte, Göttingen 1961, 91–114, 95–98.
    • 17
      Vgl. exemplarisch Grunwald, Armin, Technologiefolgeabschätzung. Eine Einführung, Berlin 22010.
    • 18
      Vgl. Moltmann, Jürgen, Ethik der Hoffnung, Gütersloh 2010; Gutiérrez, Gustavo, Theologie der Befreiung, München et al. 91986, 223; Cone, James H., A Black Theology of Liberation, Philadelphia et al. 51970.
    • 19
      Vgl. Ritschl, Albrecht, Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung III, Bonn 1888, 285–288.
    • 20
      Vgl. Hjelde, Sigurd, Das Eschaton und die Eschata. Eine Studie über Sprachgebrauch und Sprachverwirrung in protestantischer Theologie von der Orthodoxie bis zur Gegenwart, München 1987, 221–223.279–298.
    • 21
      Vgl. Tillich, Paul, Eschatologie und Geschichte, in: Die christliche Welt 41 (1927), 1034–1042; Bultmann, Rudolf, Geschichte und Eschatologie, Tübingen 1958; Althaus, Paul, Die letzten Dinge. Entwurf einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 1924, 16–22.
    • 22
      Vgl. Hjelde, Das Eschaton und die Eschata, 193–201; Kähler, Martin, Dogmatische Zeitfragen II, Leipzig 1908, 490–491.500; Kreck, Walter, Die Zukunft des Gekommenen, München 1961.
    • 23
      Vgl. Moltmann, Theologie, 12; Pannenberg, Thesen, 95–98.
    • 24
      Vgl. Schwarz, Hans, Die christliche Hoffnung, Göttingen 2002, 203–209; Mühling, Markus, Grundinformation Eschatologie. Theologie im Abenteuer der Hoffnung, Göttingen 22022, 261–286.
    • 25
      Vgl. exemplarisch Rothe, Richard, Theologische Ethik II, Wittenberg 1969, 472f; Jewett Robert/Lawrence, John S., Captain America and the Crusade Against Evil, Grand Rapids 2003, 57.136.
    • 26
      Vgl. Jewett/Lawrence, Captain, 138–147; Schwarz, Hoffnung, 91; Weber, Timothy P., Living in the Shadow of the Second Coming, Grand Rapids 1983, 137–141.204–226.274; Borger, Julian, „Brought to Jesus“. The Evangelical Grip on the Trump Administration, in: The Guardian, 11.01.2019 (https://www.theguardian.com/us-news/2019/jan/11/trump-administration-evangelical-influence-support), abgerufen am 10.06.2025.
    • 27
      Vgl. Augustinus, De civitate Dei, 20, 6–9;  BSLK, 72, 5–9.
    • 28
      Vgl. Mühling, Markus, Art. The Last Judgment, in: St Andrews Encyclopedia of Theology, 13.07.2023 (https://www.saet.ac.uk/Christianity/TheLastJudgment), abgerufen am 10.06.2025.
    • 29
      Vgl. exemplarisch jeweils einerseits Irenäus von Lyon, Adversus haereses, V,20,1; Thomas von Aquin, Summa Theologiae, 47, q2. a.2 und andererseits Gerhard, Johann, Loci Theologici, XXIX, 26.
    • 30
      Vgl. Augustinus, Confessiones, 11, XI,13.
    • 31
      Vgl. Boethius, Anicius M. S., Trost der Philosophie, V, 6p.
    • 32
      Vgl. Brümmer, Vincent, Was tun wir, wenn wir beten? Eine philosophische Untersuchung, Marburg 1985, 40–44.
    • 33
      Vgl. Teuchert, Lisanne, Gottes transformatives Handeln, Göttingen  2018, 135–142.
    • 34
      Vgl. Swinburne, God, 143.
    • 35
      Vgl. Jenson, Robert W., Systematic Theology I, New York 1997, 158–161.
    • 36
      Vgl. Mühling, Post-Systematische Theologie II, 234–237.
    • 37
      Vgl. Mühling, Post-Systematische Theologie II, 56–86.
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