1. Problemorientierte Hinführung
Als ein Teilbereich der (Systematischen) Theologie befasst sich die Dogmatik mit der Entfaltung der zentralen Inhalte christlichen Glaubens und deren Verantwortung in der Gegenwart. Wie können wir überhaupt von Gott sprechen – und wie unter gegenwärtigen Bedingungen? Wer ist Jesus Christus? Was heißt es, die Bibel als „Heilige Schrift“ zu verstehen? Was geschieht im Abendmahl? Die Dogmatik behandelt diese und andere Denkprobleme in einem systematischen Gesamtzusammenhang und auf wissenschaftlich nachprüfbare, kritische und konstruktive Weise. Seit der ersten protestantischen Dogmatik, Philipp Melanchthons Loci Communes rerum theologicarum von 1521, hat sich als Aufbauprinzip der Dogmatik im europäisch-protestantischen Christentum die sog. „Loci-Methode“ durchgesetzt. Die verschiedenen Topoi der Dogmatik (Prolegomena, Gotteslehre, Schöpfungslehre, Anthropologie, Sündenlehre, Christologie usw.) werden hier nebeneinander und in der Regel nach einem bestimmten Gliederungsschema behandelt.
Als Reflexion und Selbstprüfung christlicher Glaubensüberzeugungen hat die Dogmatik in verschiedener Hinsicht eine Zwischen- und Vermittlungsposition inne: zwischen gegenwärtigen Glaubenserfahrungen und den überlieferten Lehren der Kirche, zwischen gelebtem Glauben und wissenschaftlicher Reflexion, zwischen den exegetisch-historischen Teildisziplinen und den praxis- und anwendungsbezogenen theologischen Fächern und zwischen theologischem und interdisziplinärem Denken und Forschen (vgl. Art. Theologie).
Die Namensgebung „Dogmatik“ geht auf das griechische Dogma („Glaubenswahrheit“) zurück. Dogmatik beschäftigt sich in diesem Sinne also mit den Glaubensinhalten von Christ*innen und den überlieferten Lehrinhalten aus Tradition und Kirchen. Der Begriff ist jedoch vom pejorativen Sprachgebrauch des „Dogmatismus“, also dem starren und unkritischen Festhalten an Lehrmeinungen, abzugrenzen.1Vgl. Leonhardt, Rochus, Grundinformation Dogmatik. Ein Lehr- und Arbeitsbuch für das Studium der Theologie, Göttingen 52023, 15. Aus diesem Grund haben sich mit je unterschiedlicher Schwerpunktsetzung auch andere Namen für die dogmatische Arbeit durchgesetzt, etwa Systematische Theologie (z. B. Paul Tillich ), Glaubenslehre (z. B. Friedrich D. E. Schleiermacher
) oder – insbesondere in der katholischen Tradition – die Rede von der „Lehre von den Glaubenswahrheiten“.
2. Historische Hinführung
Auch wenn die Benennung der „Dogmatik“ als Teilbereich der Theologie auf das 17. Jahrhundert zurückgeht, bezeichnet der Begriff doch einen der „ältesten Zweige theologischen Arbeitens“.2Herms, Eilert, Art. Dogmatik, in: RGG 2 (41999), 899–915, 899. Bezugnehmend auf Apg 17In Thessalonich[1] Nachdem sie aber durch Amphipolis und Apollonia gereist waren, kamen sie nach Thessalonich; da war eine Synagoge der Juden. [2] Wie nun Paulus gewohnt war, ging er zu ihnen hinein und redete mit ihnen an drei Sabbaten aus der Schrift, [3] tat sie ihnen auf und legte ihnen dar: Der Christus musste leiden und auferstehen von den Toten, und dieser Jesus, den ich euch verkündige, ist der Christus. [4] Einige von ihnen ließen sich überzeugen und schlossen sich Paulus und Silas an, auch eine große Menge von gottesfürchtigen Griechen, dazu nicht wenige von den angesehensten Frauen.[5] Aber die Juden ereiferten sich und holten vom Marktplatz einige üble Männer, rotteten sich zusammen und richteten einen Aufruhr in der Stadt an und zogen vor das Haus Jasons und suchten sie, um sie vor das Volk zu führen. [6] Sie fanden sie aber nicht. Da schleiften sie Jason und einige Brüder vor die Oberen der Stadt und schrien: Diese, die den ganzen Erdkreis erregen, sind auch hierher gekommen; [7] die beherbergt Jason. Und diese alle handeln gegen des Kaisers Gebote und sagen, ein anderer sei König, nämlich Jesus. [8] So brachten sie das Volk auf und die Oberen der Stadt, die das hörten. [9] Und erst nachdem ihnen von Jason und den andern Bürgschaft geleistet war, ließen sie sie frei.In Beröa[10] Die Brüder aber schickten noch in derselben Nacht Paulus und Silas nach Beröa. Als sie dahin kamen, gingen sie in die Synagoge der Juden. [11] Diese aber waren freundlicher als die in Thessalonich; sie nahmen das Wort bereitwillig auf und forschten täglich in der Schrift, ob sich’s so verhielte. [12] So glaubten nun viele von ihnen, darunter nicht wenige von den vornehmen griechischen Frauen und Männern. [13] Als aber die Juden von Thessalonich erfuhren, dass auch in Beröa das Wort Gottes von Paulus verkündigt wurde, kamen sie auch dorthin und erregten Unruhe und verwirrten das Volk.[14] Da schickten die Brüder Paulus sogleich weiter, dass er ginge bis an das Meer; Silas und Timotheus aber blieben da. [15] Die aber Paulus geleiteten, brachten ihn bis nach Athen. Und nachdem sie den Auftrag empfangen hatten, dass Silas und Timotheus so schnell wie möglich zu ihm kommen sollten, kehrten sie zurück.In Athen[16] Als aber Paulus in Athen auf sie wartete, ergrimmte sein Geist in ihm, da er die Stadt voller Götzenbilder sah. [17] Und er redete zu den Juden und den Gottesfürchtigen in der Synagoge und täglich auf dem Markt zu denen, die sich einfanden. [18] Einige Philosophen aber, Epikureer und Stoiker, stritten mit ihm. Und einige von ihnen sprachen: Was will dieser Schwätzer sagen? Andere aber: Es sieht aus, als wolle er fremde Götter verkündigen. Denn er verkündigte das Evangelium von Jesus und von der Auferstehung. [19] Sie nahmen ihn aber mit und führten ihn auf den Areopag und sprachen: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst? [20] Denn du bringst etwas Neues vor unsere Ohren; nun wollen wir gerne wissen, was das ist. [21] Alle Athener nämlich, auch die Fremden, die bei ihnen wohnten, hatten nichts anderes im Sinn, als etwas Neues zu sagen oder zu hören.[22] Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. [23] Denn ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt.[24] Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darinnen ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. [25] Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. [26] Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, [27] dass sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. [28] Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. [29] Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht.[30] Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun. [31] Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er richten will den Erdkreis mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat und den er vor allen Menschen bestätigt hat, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.[32] Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören. [33] So ging Paulus weg aus ihrer Mitte. [34] Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.Zur Bibelstelle erfolgt schon in der Alten Kirche, etwa bei Clemens von Alexandrien oder Origenes
, eine Darstellung der kirchlichen Lehre in ihrem Gesamtzusammenhang und als Antwort auf Grundfragen der Existenz.3Vgl. Herms, Dogmatik, 900. Grundsätzlich erfolgen Systematisierungsschübe im dogmatischen Denken immer dann, wenn die Darstellung des christlichen Glaubens gegenüber einem „Außen“ herausgefordert ist, so etwa angesichts einer paganen Umwelt in der Antike, im Zuge der Konsolidierung im konfessionellen Zeitalter oder unter den Bedingungen der Aufklärung in der Moderne.
Durch das Mittelalter hindurch entstehen große dogmatische Werke – von den Sentenzensammlungen des Petrus Lombardus bis hin zur Summa Theologiae des Thomas von Aquin
, die verschiedene Aufbauprinzipien und Methoden dogmatischen Arbeitens weiterentwickeln. Im Zentrum stehen dabei mehr und mehr die logische Prüfung der kirchlichen Lehre durch Begriffsarbeit, der Nachweis von Nichtwidersprüchlichkeit, eine systematische Sortierung der Aussagen, usw. – Kennzeichen der Dogmatik, die in der Altprotestantischen Orthodoxie weiter ausgebaut werden und z. B. in der römisch-katholischen Scholastik bis heute Bestand haben.4Vgl. Herms, Dogmatik, 900f.
Für weite Teile der evangelischen deutschsprachigen Dogmatik ist die Zeit der Aufklärung und insbesondere der durch Friedrich D. E. Schleiermachers Kurze Darstellung des theologischen Studiums erfolgte „Perspektivwechsel“5Fröh, Johannes/Oorschot, Frederike van, Digitale Geisteswissenschaften in der Dogmatik, in: Kompendium Computational Theology 2, Heidelberg 2025 (im Druck), 1. prägend für das Verständnis dogmatischer Forschung in der Moderne. Als „funktionale Rekonstruktion des christlichen Glaubens vom religiösen Bewußtsein aus“6Wagner, Falk, Funktionalität der Theologie und Positivität der Frömmigkeit, in: Aland, Kurt et al. (Hrsg.), Schleiermacher und die wissenschaftliche Kultur des Christentums (Theologische Bibliothek Töpelmann 51), Berlin 2019 (Reprint), 291–312, 304. stehen nun nicht mehr primär die Darstellung der Gehalte der autoritativ verstandenen Heiligen Schrift, sondern „das Christentum als eine der geschichtlichen Religionsgestalten“7Gräb, Wilhelm, Vom Menschsein und der Religion. Eine praktische Kulturtheologie (Praktische Theologie in Geschichte und Gegenwart 30), Tübingen 2018, 141f.; Vgl. Fröh/Oorschot, Digitale Geisteswissenschaften, 2. im Zentrum. Mit Karl Barths
Kirchlicher Dogmatik rückt ein Verständnis von Dogmatik als Beschäftigung mit dem Offenbarungsgeschehen ins Zentrum; Gegenstand der Dogmatik ist für ihn nicht der menschliche Glaube oder das religiöse Bewusstsein, sondern das Wort Gottes, das in Jesus Christus Gestalt geworden ist.8Vgl. Herms, Dogmatik, 901. Im Lauf der zweiten Hälfte des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts findet grundsätzlich eine Pluralisierung und Diversifizierung dogmatischer Ansätze statt (z. B. Befreiungstheologien, feministische Theologien, kontextuelle Theologien u. a.).
Aktuelle Herausforderungen dogmatischen Arbeitens betreffen sowohl die zunehmenden Pluralisierungstendenzen der Dogmatik (Dogmatik als kontextuelle Theologie) und die damit einhergehende Hinterfragung der eurozentrisch-westlichen Fokussierung, die verschiedenen Ausrichtungen der Dogmatik zwischen kirchlicher Normativität und Praxisnormativität,9Vgl. Fröh/Oorschot, Digitale Geisteswissenschaften, 2. die Abgrenzungen gegenüber der Religionsphilosophie sowie überhaupt die Frage nach der Orientierungskraft der Dogmatik – im Gegenüber oder Miteinander mit der benachbarten Ethik, aber auch in einer sich immer weiter differenzierenden und pluralisierenden Gegenwart.
3. Dogmatik als Wissenschaftsdisziplin
Dogmatik begegnet zunächst einmal als eine wissenschaftliche Disziplin, die sich durch eine bestimmte Arbeitsweise, Ziel- und Aufgabenbestimmung sowie Quellen und Normen auszeichnet.
3.1. Spezifika dogmatischen Arbeitens
- Dogmatik verfährt wissenschaftlich, indem sie ihre Methoden und ihre Hermeneutik kritisch reflektiert, eine analytische Distanz zu ihren Inhalten wahrt und sich um eine intersubjektiv nachvollziehbare Darstellung bemüht.
- Dogmatik verfolgt einen systematischen Anspruch, d. h. sie stellt ihre Inhalte in einem kohärenten Gesamtzusammenhang dar, in dem die verschiedenen Themen sinnvoll aufeinander bezogen sind und ein in sich gegliedertes Gefüge ergeben.
- Dogmatik ist insofern dogmatisch, als sie sich dem Bezug auf eine im Glauben erfahrene „Wahrheit“ verpflichtet weiß, also nicht aus sich selbst entsteht, sondern sich der pluralen und kontextuellen Glaubensrealität von Christ*innen und christlichen Kirchen verpflichtet weiß.
- Dogmatisches Arbeiten hat es mit normativen Aussagen zu tun, also mit dem, was als „Möglichkeitsraum“10Hailer, Martin, Art. Dogmatik, in: WiReLex, 2015 (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/100058/), abgerufen am 14.04.2025, 8. christlichen Sprechens gelten kann. Sie geht also das „Wagnis der Affirmation“11Luther, Martin, De servo arbitrio, in: Martin Luthers Werke (Weimarer Ausgabe 18), Weimar 1908, 600–787, 787; vgl. auch Hailer, Dogmatik, 4. ein; hat insofern aber auch immer einen Bezug zum Thema Autorität, der kritisch reflektiert werden muss.
- Dogmatik hat personenrelativen Charakter (Martin Hailer
), denn durch den Glaubensbezug der Dogmatik ist dogmatisches Sprechen immer als beteiligtes Sprechen (im Sinne der assertio) zu verstehen, auch dann, wenn die Positionen und Überzeugungen anderer reflektiert werden.
- Damit ist Dogmatik immer als positionelles Arbeiten zu verstehen, das es mit einem spezifischen historischen Kontext und dessen sozio-kulturellen, milieu- und geschlechtsspezifischen Bedingungen zu tun hat.
- Dogmatik ist insofern immer gegenwartsbezogen und bleibt offen für neue Fragestellungen und Herausforderungen und deren kreative Bewältigung.
- Dogmatik arbeitet interdisziplinär; sowohl in ihrer engen Bezogenheit auf die anderen innertheologischen Fächer als auch in ihrem Dialog mit benachbarten Fachdisziplinen (z. B. Philosophie, Soziologie, Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Gender Studies u. v. m.)
3.2. Aufgabe und Ziel der Dogmatik
Die Dogmatik steht vor der Herausforderung, die christliche Glaubenslehre und das Reden von Gott in einer sich stetig wandelnden Welt zu reflektieren, auf die Gegenwart zu beziehen und in einer systematisierenden Form zu artikulieren. Damit übernimmt die Dogmatik spezifische Aufgaben: (a) Dogmatik legt Rechenschaft ab über Inhalt und Weise des Redens von Gott. (b) Sie verantwortet gegenwärtiges Reden von Gott vor dem vielfältigen Zeugnis der Heiligen Schrift und vor Glaubenserfahrungen und -überzeugungen in Tradition (z. B. kirchliche Lehren und Bekenntnisse) und Gegenwart. (c) Auf diesem Hintergrund entfaltet und interpretiert Dogmatik die christliche Glaubenslehre in der materialen Dogmatik, indem sie entweder synthetisch dogmatische Lehrpunkte (sog. „Loci“; siehe dazu unten) bearbeitet und darstellt oder den dogmatischen Lehrstoff analytisch unter einem Leitgesichtspunkt aufgliedert.
Das Verständnis des Ziels der Dogmatik kann dabei, je nach theologischer Perspektive, sehr unterschiedlich definiert werden: (a) Dogmatik kann verstanden werden als eine „Beschreibung der Selbstsicht des Glaubensgeschehens“, die auf reflexive Weise das „Sich-Verstehen des Menschen als eines endlichen Wesens“12Danz, Christian, Einführung in die evangelische Dogmatik, Darmstadt 2010, 23. (Christian Danz ) ermöglicht. Dogmatik hat diesem Verständnis nach nicht vorrangig das Ziel einer Lehrinstruktion, sondern soll für den gegenwärtigen Menschen die lebensgestaltende Kraft der christlichen Tradition erschließen. (b) Stärker den Trost angesichts einer Erlösungsbedürftigkeit des Menschen betonend, kann Dogmatik auch als gedankliche Rechenschaft des christlichen Glaubens verstanden werden, die die Wirklichkeit soteriologisch (also auf Heil und Erlösung bezogen) interpretiert und nach der „tröstlichen Wahrheit“13Körtner, Ulrich H. J., Dogmatik, Leipzig 2018, 1. (Ulrich Körtner
) des Handelns Gottes und des darauf beruhenden Glaubens fragt. (c) Das Ziel der Dogmatik kann aber auch als Akt der „wissenschaftlichen Selbstprüfung der christlichen Kirche“14Barth, Karl, Kirchliche Dogmatik I/1. Die Lehre vom Wort Gottes, Zürich 1932, § 1, 1. (Karl Barth
) verstanden werden. In diesem Verständnis wird Dogmatik als theologische Disziplin und Theologie als Funktion der Kirche verstanden; Dogmatik überprüft so den Inhalt der Theologie als Rede von Gott, die der Kirche eigen ist. „Kirche“ in diesem Verständnis von Dogmatik als „Kirchlicher Dogmatik“ ist dabei nicht mit der „Institution Kirche“ zu verwechseln, sondern als Gemeinschaft zu verstehen, die durch das Wort Gottes geschaffen wird und in dessen Dienst steht.
Evangelische Dogmatik will damit weder den Glauben der einzelnen Gläubigen noch die Verkündigung und Praxis der Kirche als autoritative Lehrinstanz bestimmen, sondern versteht sich als theologische Wissenschaft, die den christlichen Glauben in seiner biblischen, historischen, kontextuellen und systematischen Gestalt reflektiert, kritisch durchdenkt und für die Gegenwart verständlich darlegt. Damit sollen sowohl eine selbstverantwortliche Sprach- und Denkfähigkeit sowie theologische Imagination der Glaubenden ermöglicht werden als auch theologische Orientierung für Verkündigung, Praxis, gesellschaftlichen und interreligiösen Dialog.
3.3. Quellen und Normen der Dogmatik
In dieser theologischen Reflexion und Artikulation greift die Dogmatik auf verschiedene Quellen zurück, die eine durchaus unterschiedliche Normativität und Autorität besitzen können:
- Bibel: Traditionell bildet reformatorischem Verständnis nach das Zeugnis der Heiligen Schrift als primäre Quelle und Grundlage (sola scriptura) nicht nur den Ausgangspunkt für dogmatische Überlegungen, sondern bleibt gleichzeitig ihr kritisches Gegenüber und die normierende Norm (norma normans). Neben der Schrift gibt es andere Quellen der Dogmatik (Glaubensüberzeugungen, Tradition, Herausforderungen der Gegenwart, usw.). So entsteht ein hermeneutischer Zirkel zwischen den Quellen der Dogmatik, wobei der Heiligen Schrift ein besonderer Status zukommt.15Vgl. Oorschot, Frederike van, Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch. Eine Untersuchung zum Status der Schrift in der und für die Dogmatik (DoMo 40), Tübingen 2022, ins. 321–348.360–380; Focken, Friedrich-Emanuel/Oorschot, Frederike van (Hrsg.), Schriftbindung evangelischer Theologie. Unter Mitarbeit von Clarissa Breu, Walter Bührer, Elisabeth Maikranz, Raphaela Meyer zu Hörste-Bührer, Torben Stamer, Kinga Zeller und Carolin Ziethe (ThLZ.F 32), Leipzig 2020.
- Jesus Christus: Dieses vielgestaltige Zeugnis der Schrift kann in der evangelischen Dogmatik christologisch zentriert und interpretiert werden, indem etwa mit Luther
in den Mittelpunkt der Schriftauslegung gestellt wird, „was Christum treibet“, oder mit der Ersten These der Barmer Theologischen Erklärung „Jesus Christus, wie er in der Heiligen Schrift bezeugt wird“ als das „eine Wort Gottes“ verstanden werden.16WA DB 7, 384,27 – Vorrede auf die Episteln Sanct Jacobi und Judas. Damit wird Jesus Christus zur inhaltlichen Mitte und normativen Grundlage für alle dogmatischen Aussagen.
Weiterführende Infos
Hintergründe und Text zur Barmer Theologischen Erklärung finden sich hier: https://www.ekd.de/barmer-theologische-erklarung-11292.htm, abgerufen am 14.04.2025.
- Tradition: Darüber hinaus bezieht sich die Dogmatik auch auf den Horizont der kirchlichen Tradition, indem sie „sortierende Antworten“17Hailer, Dogmatik, 2. (Martin Hailer
), also wichtige Lehrentscheidungen, Bekenntnisschriften, Glaubensüberlieferungen und bedeutende Theolog*innen berücksichtigt und in gegenwärtiges Theologisieren aufnimmt. Die kirchliche Tradition wird dabei als Orientierungshilfe herangezogen, jedoch als „normierte Norm“ (norma normata) stets kritisch im Licht der Schrift geprüft. Sie hat keinen eigenständigen normativen Charakter, sondern leitet sich von der biblischen Offenbarung ab.
- Erfahrungen: Auch gelebte Glaubenspraxis (vgl. Art. Christliche Spiritualität) und religiöse Erfahrungen sind eine Quelle und kritisches Gegenüber für die dogmatische Reflexion. Damit schließen sie an das biblische Zeugnis an, das selbst Erfahrungen widerspiegelt. So treten die eigenen Erfahrungen in konstruktive Spannung mit Schrift und Tradition und werden so zu einem Motor dogmatischen Denkens (vgl. insbesondere kontextuelle Theologien).
- Vernunft: In der Dogmatik verantwortet sich der Glauben auch vor dem Forum der menschlichen Vernunft, ohne dass die Vernunft als Quelle der Offenbarung verstanden wird. Indem die Vernunft hilft, die Inhalte des Glaubens zu verstehen, sie zu ordnen und in einen Dialog mit Tradition und der modernen Welt zu stellen, unterstützt sie die Dogmatik dabei als „Glauben auf der Suche nach Einsicht“ (fides quaerens intellectum, Anselm von Canterbury
).
- Außertheologische Diskurse: Diese Diskurse spielen in der evangelischen Dogmatik eine ergänzende Rolle, indem sie Erkenntnisse aus Philosophie, Religionswissenschaft, Geistes- und Naturwissenschaften, Kunst, Kultur, Literatur und Medien einbeziehen. Sie bieten Denkmodelle, vergleichende Perspektiven und alternative Ausdrucksformen, die helfen, den Glauben und seine Inhalte im Kontext der Gegenwart zu reflektieren und zu artikulieren. Sie ermöglichen zudem einen interdisziplinären Dialog, der die Relevanz des christlichen Glaubens für verschiedene Lebensbereiche aufzeigt und die Dogmatik als akademische Wissenschaftsdisziplin herausfordert und bereichert.
Der Weg von den Quellen, historischen und aktuellen Texten und Erfahrungen zur Dogmatik ist komplex und erfordert eine sorgfältige hermeneutische Arbeit. Es geht nicht um eine bloße Wiederholung biblischer und historischer Aussagen, persönlicher Erfahrungen und Ideen, sondern um eine reflektierte Auseinandersetzung, Neuformulierung und Verantwortung im Kontext der Gegenwart, die den christlichen Glauben für die heutige Zeit verständlich und relevant zu machen anstrebt.
3.4. Gegenstände der Dogmatik
Die Frage nach dem Gegenstand der Dogmatik ist nicht unumstritten; kontrovers diskutiert wird die Frage, ob Gott selbst Gegenstand der Dogmatik sein kann. Während einige Theolog*innen dies bejahen, betonen andere, dass Gottes Wesen (vgl. Art. Gottesprädikate) über jede menschliche Erkenntnis hinausgeht und daher nicht unmittelbar Gegenstand einer theologischen Disziplin sein kann. Zum Gegenstand der Dogmatik können christlicher Glaube und christliche Religion, die in der Kirche tradierten Dogmen, kirchliche Verkündigung und Weltwahrnehmung werden, indem Dogmatik nicht primär nach den Bedingungen wahrer Aussagen über Gott an sich fragt, sondern danach, wie Menschen Gottes Zusage sprachlich weitergeben können. Traditionell wird die Dogmatik, wie eingangs erwähnt, in sogenannte „Loci“ (Begriffe oder Themen) eingeteilt. Eine solche Einteilung für theologisches Denken ist dabei nicht unproblematisch, da eine Aufteilung auf einzelne „Themen“ den inneren Zusammenhang zwischen den einzelnen Glaubensaussagen möglicherweise vernachlässigt oder unsichtbar macht, blinde Flecken dogmatischer Reflexion reproduziert oder den Anschluss an moderne Begrifflichkeiten erschwert. Wird der synthetische Zugang der Loci-Methode gewählt, dann kann sich eine erste Strukturierung dogmatischen Denkens als hilfreich erwiesen; in unterschiedlicher Anordnung und Fokussierung können folgende theologische Loci diskutiert werden:
- Prolegomena (Einleitung) oder Fundamentaltheologie: Wesen und Aufgabe der Theologie; theologische Erkenntnis und Methoden; Schrift, Tradition, Offenbarung
- Gotteslehre: z. B. Attribute Gottes, Trinitätslehre, Schöpfung und Providenzlehre
- theologische Anthropologie: z. B. der Mensch als Geschöpf und Ebenbild Gottes und als Sünder*in
- Christologie als Lehre von Person und Werk Jesu Christi: z. B. Inkarnation, Verkündigung, Versöhnung, Kreuz und Auferstehung
- Soteriologie als Lehre vom Heil: z. B. Heilshandeln Gottes in Christus, Gnade und Rechtfertigung, Glaube und Werke
- Pneumatologie als Lehre vom Heiligen Geist: z. B. Wirken und Gaben des Heiligen Geistes, Glaube und Nachfolge
- Ekklesiologie als Lehre von der Kirche: z. B. Wesen und Auftrag der Kirche, die Sakramente Taufe und Abendmahl, Ämter und Ökumene, Mission
- Eschatologie als Lehre von den Letzten Dingen: z. B. Tod und Auferstehung, das Letzte Gericht, Himmel und Hölle, Vollendung der Schöpfung.
Als davon zu unterscheidender Zugang zur dogmatischen Darstellung kann statt der Loci-Methode die Entfaltung eines zentralen Themas gewählt werden, indem theologische Leitthemen (wie zum Beispiel Versöhnung, Befreiung, Bund, Vulnerabilität, Ökotheologie, etc.) die dogmatische Reflexion bestimmen. Außereuropäische Theologien kritisieren zudem die europäisch geprägte Loci-Methode häufig als zu stark an westlichen Denkstrukturen gebunden; lateinamerikanische Befreiungstheologien etwa ersetzen die Loci-Methode durch einen kontextuellen Ansatz, der soziale Gerechtigkeit zum Ausgangspunkt macht, und Postkoloniale Theologien dezentrieren die europäischen loci zugunsten indigener Narrative (z. B. Ancestralität in afrikanischen Theologien).
4. Pluralität und Profile von Dogmatik
4.1. Dogmatik im Kontext der (Systematischen) Theologie
In der im deutschsprachigen Raum üblichen Differenzierung der theologischen Fächer gehört die Dogmatik zum Fach der Systematischen Theologie.
Innerhalb der Systematischen Theologie gibt es daneben die Fächer „Ethik“ und „Religionsphilosophie”. Aus der Differenzierung ergibt sich die Notwendigkeit der Verhältnisbestimmung der verschiedenen Fächer der Systematischen Theologie:
Ist die Dogmatik im Zusammenspiel für Reflexion der christlichen Denkmodelle und ihre gegenwartsorientierte Relevanz zuständig, so ist die Ethik die Reflexion über Moral (Bewerten) und Sitte (Tun) der Menschen und beschäftigt sich zum einen mit der Deskription moralischer und sittlicher Fragestellungen und zum anderen mit ihrer Reflexion, z. B. durch die Fragen „Was ist gut?” (evaluative Ethik) und „Was ist richtig?” (deontologische Ethik). Sie steht dazu im Gespräch mit den angewandten Wissenschaften der materialen ethischen Fragen und der philosophischen Ethik und ist parallel mit ihrer wissenschaftlichen Selbstaufklärung der Gegenstände und Methoden befasst. Die Religionsphilosophie wiederum arbeitet an der Klärung der grundlegenden Begriffe und Konzepte von Theologie und Religion im Gespräch mit Philosophie und Religionswissenschaften.
4.2. Dogmatik im Kontext internationaler Theologien
Dogmatik ist also nur eine Ausprägung Systematischer Theologie – nicht nur im Blick auf die Binnendifferenzierung der Systematischen Theologie, sondern auch im Blick auf das Verständnis von Systematischer Theologie im Ganzen. So ist im englischsprachigen Raum „dogmatics” eine wenig genutzte Bezeichnung und steht vor allem für die Beschäftigung mit dem historisch gewachsenen Bestand christlicher Dogmen. Demgegenüber bezeichnet der Begriff „theology” das, was oben unter dem Begriff Dogmatik bezeichnet wird, oft im Gegenüber zu „ethics”.
Weiterführende Infos
Vgl. exemplarisch den nordischen Kontext in: Henriksen, Jan-Olav, Art. Systematic Theology in the Nordic Countries after 1945, in: St Andrews Encyclopaedia of Theology, 23.02.2023 (https://www.saet.ac.uk/Christianity/SystematicTheologyintheNordicCountriesafter1945), abgerufen am 14.04.2025.
Vgl. zur internationalen Kritik an der Systematischen Theologie: Rea, Michael, Art. Analytic Theology, in: St Andrews Encyclopaedia of Theology, 10.08.2022 (https://www.saet.ac.uk/Christianity/AnalyticTheology), abgerufen am 14.04.2025.
Statt der im deutschsprachigen Raum meist üblichen enzyklopädischen Differenzierung (also der Differenzierung entlang der Bestimmung theologischer Disziplinen), hat sich international ein differenziertes Feld unterschiedlicher theologies entwickelt, die mit unterschiedlichen Zielen und Schwerpunkten theologische Fragen quer zu den bei uns üblichen Fächergrenzen aufgreifen:
Constructive Theologies etwa widmen sich der Entwicklung genuin theologischer Denkmodelle ausgehend von Gegenwartsfragen. Befreiungstheologien reinterpretieren theologische Begriffe, oft mit biblischen Bezügen, im Blick auf ihre ethisch-dogmatischen und kirchlich-liturgischen Implikationen. Diese Formen von Theologie finden zunehmend auch in der deutschsprachigen Debatte ihren Ort und setzen sich nicht selten kritisch mit dem Begriff und traditionellen Konzept von Dogmatik auseinander.
Diese Kontexte von Dogmatik machen deutlich, dass es Dogmatiken nur im Plural gibt: Eine einheitliche „Dogmatik“ im Sinne eines feststehenden Glaubens- oder Lehrkorpus gibt es in der evangelischen Theologie nicht. Entsprechend plural ist das Feld der evangelischen Dogmatiken in Vergangenheit und Gegenwart.
4.3. Ein Profil von Dogmatik im Kontext des SysLex
Im Spektrum dieser vielfältigen Kontexte und Schwerpunktsetzungen lässt sich das Verständnis von Dogmatik der Autorinnen wie folgt definieren:
Dogmatik bedeutet Theologisieren im Angesicht der Gegenwart und ist als reflexiver Grundmodus bezogen auf den christlichen Glauben und seine Praktiken. Dogmatik findet einen zentralen – aber nicht den einzigen Ort – in der wissenschaftlichen Theologie. Mit dieser Definition stellen die Autorinnen des vorliegenden Artikels ihr eigenes Verständnis zur Diskussion auf der Grundlage und in Weiterführung des Skizzierten. Zur Definition im Einzelnen:
„Dogmatik bedeutet Theologisieren…“ Der Begriff und das Konzept des Theologisierens stammt aus der Religionspädagogik und wurde dort eingeführt, um das Nachdenken über Gott und den Glauben mit Kindern und Jugendlichen als eigenständige Form von Theologie zu würdigen.
Weiterführende Infos WiReLex
Weiterführende Informationen zum Begriff und Konzept des Theologisierens finden sich hier: Meyer, Karlo/Tautz, Monika, Art. Theologisieren, interreligiös, in: WiReLex (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/201028/), abgerufen am 14.04.2025.
Der Begriff stellt das Prozesshafte heraus: Dogmatik gibt es nur als Zwischenschritte eines Prozesses. Diese sind Ergebnis von und Einladung zum Theologisieren: Es ist dieser Prozess des Nachdenkens über Gott und von Gott abgeleitete Fragen, Begriffe oder Erfahrungen, der im Fokus steht und von dem die Dogmatiken in ihrer Vielfalt Zeugnis geben. Dieser Prozess entwickelt einen Gesprächszusammenhang, der im Kontext wissenschaftlicher Dogmatik auf anwachsende Kohärenz und methodisch grundierten Streit um und zwischen Deutungskategorien abzielt.
„… im Angesicht der Gegenwart…“ Dogmatik steht in einem bestimmten Kontext. Dieser prägt das theologische Nachdenken sowohl in der Art und Weise, wie Theologie betrieben wird, als auch in den Themen, die in den Blick kommen. Dogmatik ist daher auf die jeweilige Gegenwart orientiert. Da die meisten Gegenwarten der Dogmatiken, die wir kennen, inzwischen in der Vergangenheit liegen, führt die Gegenwartsorientierung konstitutiv zur Historisierung: Es gilt, alle Dogmatik jeweils kontextuell und im Blick auf ihre jeweilige Gegenwart zu verstehen.
„…und ist als reflexiver Grundmodus…“ Theologisieren ist dabei nicht irgendein Tun, sondern reflexiv. Als reflexiver Modus begleitet Dogmatik etwas Anderes – und zwar im Wortsinn nach-denkend. Dieses Andere, das reflexiv begleitet wird, ist der christliche Glaube und seine Praktiken.
„…bezogen auf die christlichen Dogmen, den christlichen Glauben und seine Praktiken…“ Theologien und auch die Dogmatik haben sich ausgehend von religiösen Praktiken und Glaubensüberzeugungen herausgebildet. Historisch ist diese These unproblematisch. Inhaltlich ist sie hingegen umstritten: (Wie oder wie eng) Ist Dogmatik auf die Dogmen, also die Lehren der Kirche und die Glaubensüberzeugungen bezogen? Die hier vorgestellte Definition versucht einen Mittelweg: Dogmatik ist keine Reflexion der Dogmen oder Glaubens in dem Sinne, dass sie nur auf Dogmen bezogen ist oder allein von Glaubenden betrieben werden kann. Aber sie ist insofern auf Dogmen und Glauben bezogen, als sie ausgehend von der Perspektive des Glaubens fragt und sich dessen Prämissen aneignet, wenn sie die Dogmen als gegenwärtige und vergangene Denkmodelle reflektiert. In diesem Sinne ist die Dogmatik als spezifische Form der „gelehrten Theologie” auch bezogen auf die Kirche als weiteren Ort und Forum von Theologie. Sie ist zugleich bezogen auf Formen der gelebten Theologie. Während in der kirchlichen Verkündigung die Vermittlung des Glaubens im Vordergrund steht, steht in akademischen Theologien die Reflexion dieses Glaubens und die verstehende Verantwortung im Vordergrund. So kann es zwischen akademischer Theologie und Kirche wechselseitig zu Kritik kommen, ohne dass einer der Orte des Theologisierens dem anderen überlegen oder weisungsbefugt wäre.
Dieses Verständnis spiegelt sich in den Kriterien wider, die im SysLex programmatisch angelegt sind: Dogmatik versteht sich im vorliegenden Lexikon gegenwartsorientiert in dem Sinne, dass Themen aktueller Debatten als theologische Themen adressiert und im Licht dogmatischer Denkmodelle aus Vergangenheit und Gegenwart reflektiert werden. Es versteht Dogmatik problemorientiert, insofern als in den jeweiligen Artikeln von klassischen Themen und Begriffen Systematischer Theologie ausgegangen wird, um diese daraufhin zu betrachten, welche konkreten, gerade auch gegenwartsrelevanten Fragestellungen christlich-religiöser Praxis und systematisch-theologischer Wissenschaft in ihnen diskutiert werden. Dialogorientiert werden verschiedene Positionen zu dogmatischen Fragestellungen vorgetragen. Damit spiegelt es den prozeduralen Charakter dogmatischen Denkens und Fragens als andauerndes Theologisieren in unterschiedlichen Räumen und Denkzusammenhängen der Theologien.