Himmel

„Himmel“ ist sowohl ein bis heute in Kultur und Lebenswelt verwurzelter Begriff als auch ein relevanter Terminus der (jüdisch-christlichen) Tradition und Theologie. Die vielfältigen Zugänge der Theologie(geschichte) auf der einen und die vermeintliche Selbstverständlichkeit auf der anderen Seite führen zu einem Plural von Himmelsverständnissen und -vorstellungen. Für die wissenschaftsinhärente Präzision innerhalb der (systematischen) Theologie sowie für den verantworteten Umgang mit „Himmel“ in der kirchlichen, pastoralen bzw. (religions-)pädagogischen Praxis bedarf es daher einer Rückversicherung darüber, was „Himmel“ (nicht) bedeutet.

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    Anmerkung der Redaktion
    Dieser Artikel wurde mit einem religionspädagogischen Schwerpunkt im Wissenschaftlich-Religionspädagogischen Lexikon (WiReLex) erstveröffentlicht: Heger, Johannes, Art. Himmel, in: WiReLex, 2021 (https://doi.org/10.23768/wirelex.Himmel.200868).

    1. Zu einer verantworteten Rede über „Himmel“

    In der Alltagssprache (bspw. „Um Himmels willen!“), in (pop-)kulturellen Produktionen (bspw. „Wann reißt der Himmel auf?“ [Silbermond]), in Kinderbüchern (bspw. „Annas Himmel“) und in der Gebetspraxis (bspw. „Vater unser im Himmel“) hat er seinen festen Platz – der „Himmel“. Mit diesem Signifikanten wird zum einen die physische Größe am Firmament bezeichnet („sky“). Zum anderen verdichten sich in diesem „Urwort menschlicher Sprache“1Rahner, Johanna, Einführung in die christliche Eschatologie, Freiburg 2016, 322. religions- und kulturübergreifend eine Vielzahl religiöser Vorstellungen bzw. Konzepte eines erhofften Jenseits („heaven“). Dabei potenzieren sich die im Folgenden für die jüdisch-christliche Glaubenstradition skizzierte Pluralität theologischer Konzepte und die mittels empirischer Studien zu kindlichen und juvenilen Himmelsvorstellungen greifbare Deutungsvielfalt2Vgl. Heger, Johannes, Art. Himmel, in: WiReLex, 2021 (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/200868/), abgerufen am 28.04.2025, Abs. 2. gegenseitig.

    Der Urgrund dieser pluralen Unbestimmtheit des Himmels ist in einer konstitutiven Signatur der Lehre über die „Letzten Dinge“ (vgl. Art. Eschatologie) auszumachen:3Vgl. Heger, Johannes, Art. Eschatologie, in: WiReLex, 2024 (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/100164/), abgerufen am 28.04.2025, Abs. 4.2. Weil sich das Jenseits bzw. die Transzendenz Gottes nicht (empirisch) einholen lassen, bleibt das speziell wissenschaftliche und das generell menschliche Nachdenken über eschatologische Themen und Fragestellung – wie bspw. im Fall des Himmels – auf (sprachliche) Bilder bzw. Bildworte verwiesen,4Vgl. Ratzinger, Joseph, Eschatologie – Tod und ewiges Leben, Regensburg 2017, 185. welche „die Grenzen […] unseres Ausdrucksvermögens“5Imbach, Josef, Himmelsglaube und Höllenangst. Was wissen wir vom Leben nach dem Tod?, München 1987, 55. übersteigen.

    Um aus der Vielfalt der Zugänge zum Himmel keine Beliebigkeit werden zu lassen, Fehlvorstellungen über das christliche Himmelsverständnis zu dekonstruieren und Instrumentalisierungsbestrebungen (bspw. durch Sekten)6Vgl. Bernheim, Pierre A./Stavrides, Guy, Das Paradies – Verheißungen vom glücklichen Jenseits, Düsseldorf 2004, 196–213. zu wehren, bedarf es einer Rückbindung an systematische Kernpunkte der christlich-theologischen Himmelslehre.

    2. Zum Himmel in der Bibel

    Diese Rückbindung führt in einem ersten Schritt sowohl (theologie-)geschichtlich als auch systematisch zur Befragung der biblischen Zeugnisse.

    2.1. Altes Testament

    Im Alten Testament ist „Himmel“ im Kontext des dreistufigen altorientalischen Weltbildes zu verstehen.7Vgl. Lang, Bernhard/McDannell, Colleen, Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens, Frankfurt a. M. 1990, 17–24. Als kosmologisches Phänomen ist er zunächst u. a. der Bereich der Vögel (Dtn 4,17einem Tier auf dem Land oder Vogel unter dem Himmel,Zur Bibelstelle) und meteorologischer Ereignishorizont (Jer 10,13Wenn er donnert, so ist Wasser die Menge am Himmel; Wolken lässt er heraufziehen vom Ende der Erde. Er macht die Blitze, dass es regnet, und lässt den Wind kommen aus seinen Kammern.Zur Bibelstelle). Der Merismus „Himmel und Erde“ bildet von daher eine Chiffre für den gesamten Kosmos (Gen 1,1Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.Zur Bibelstelle; auch im NT: Mt 5,18Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht.Zur Bibelstelle; Mk 13,31Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.Zur Bibelstelle; Eph 1,10um die Fülle der Zeiten heraufzuführen,auf dass alles zusammengefasst würde in Christus,was im Himmel und auf Erden ist, durch ihn.Zur Bibelstelle). Ikonographisch wird der Himmel in Opposition zur Hölle gedacht (Ps 139[1] Ein Psalm Davids, vorzusingen.Herr, du erforschest michund kennest mich.[2] Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es;du verstehst meine Gedanken von ferne.[3] Ich gehe oder liege, so bist du um michund siehst alle meine Wege.[4] Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge,das du, Herr, nicht alles wüsstest.[5] Von allen Seiten umgibst du michund hältst deine Hand über mir.[6] Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch,ich kann sie nicht begreifen.[7] Wohin soll ich gehen vor deinem Geist,und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?[8] Führe ich gen Himmel, so bist du da;bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.[9] Nähme ich Flügel der Morgenröteund bliebe am äußersten Meer,[10] so würde auch dort deine Hand mich führenund deine Rechte mich halten.[11] Spräche ich: Finsternis möge mich deckenund Nacht statt Licht um mich sein –,[12] so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir,und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht.[13] Denn du hast meine Nieren bereitetund hast mich gebildet im Mutterleibe.[14] Ich danke dir dafür,dass ich wunderbar gemacht bin;wunderbar sind deine Werke;das erkennt meine Seele.[15] Es war dir mein Gebein nicht verborgen, /da ich im Verborgenen gemacht wurde,da ich gebildet wurde unten in der Erde.[16] Deine Augen sahen mich,da ich noch nicht bereitet war,und alle Tage waren in dein Buch geschrieben,die noch werden sollten und von denen keiner da war.[17] Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken!Wie ist ihre Summe so groß![18] Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand:Wenn ich aufwache, bin ich noch immer bei dir.[19] Ach, Gott, wolltest du doch den Frevler töten!Dass doch die Blutgierigen von mir wichen![20] Denn voller Tücke reden sie von dir,und deine Feinde erheben sich ohne Ursache.[21] Sollte ich nicht hassen, Herr, die dich hassen,und verabscheuen, die sich gegen dich erheben?[22] Ich hasse sie mit ganzem Ernst;sie sind mir zu Feinden geworden.[23] Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz;prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine.[24] Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin,und leite mich auf ewigem Wege.Zur Bibelstelle). Diese Lokalisierung sowie das zeit-räumlich ordnende (Gen 1,3–5[3] Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. [4] Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis [5] und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.Zur Bibelstelle) und lebensspendende (Sonne; Regen) Moment (Jes 45,8Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken, regnet Gerechtigkeit! Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit auf! Ich, der Herr, erschaffe es.Zur Bibelstelle; Hos 2,23–25[23] An jenem Tage will ich antworten, spricht der Herr, ich antworte dem Himmel, und der Himmel antwortet der Erde, [24] und die Erde antwortet mit Korn, Wein und Öl, und diese antworten Jesreel. [25] Dann will ich mir Israel in das Land einsäen und mich erbarmen über Lo-Ruhama, und ich will sagen zu Lo-Ammi: »Du bist mein Volk«, und Israel wird sagen: »Du bist mein Gott«.Zur Bibelstelle) führten religionsübergreifend u. a. zu einer religiösen Semantisierung des Himmels.8Vgl. Fetz, Reto L., Der Himmel als Symbol. Die moderne Umdeutung eines mythischen Raumes, in: Jahrbuch für Biblische Theologie 20 (2005), 59–82. Anders als im Alten Orient wird der Himmel in Israel jedoch nicht vergöttlicht, sondern verweist auf den Schöpfer (Gen 1,6–9[6] Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern. [7] Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so. [8] Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag.[9] Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an einem Ort, dass man das Trockene sehe. Und es geschah so.Zur Bibelstelle) (vgl. Art. Schöpfung).

    Erst nach der Zerstörung des Tempels kommt es zur theologisch-religiösen Codierung des Himmels – v. a. als Sphäre Gottes (Dtn 26,15Sieh nun herab von deiner heiligen Wohnung, vom Himmel, und segne dein Volk Israel und das Land, das du uns gegeben hast, wie du unsern Vätern geschworen hast, ein Land, darin Milch und Honig fließt.Zur Bibelstelle; Ps 11,4Der Herr ist in seinem heiligen Tempel,des Herrn Thron ist im Himmel.Seine Augen sehen herab,seine Blicke prüfen die Menschenkinder.Zur Bibelstelle; 2Chr 30,27Und die Priester und die Leviten standen auf und segneten das Volk, und ihre Stimme wurde erhört, und ihr Gebet kam in Gottes heilige Wohnung im Himmel.Zur Bibelstelle; Gen 24,3und schwöre mir bei dem Herrn, dem Gott des Himmels und der Erde, dass du meinem Sohn keine Frau nimmst von den Töchtern der Kanaaniter, unter denen ich wohne,Zur Bibelstelle), von der aus er auf die Erde blickt (Dtn 26,15Sieh nun herab von deiner heiligen Wohnung, vom Himmel, und segne dein Volk Israel und das Land, das du uns gegeben hast, wie du unsern Vätern geschworen hast, ein Land, darin Milch und Honig fließt.Zur Bibelstelle) und aus der er herabsteigt (Gen 19,24Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und GomorraZur Bibelstelle; 35,13Und Gott fuhr auf von ihm an der Stätte, da er mit ihm geredet hatte.Zur Bibelstelle). Ferner ist attributiv vom „Gott des Himmels“ (Dtn 10,14Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel und die Erde und alles, was darinnen ist, das ist des Herrn, deines Gottes.Zur Bibelstelle; 1Kön 8,27Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?Zur Bibelstelle) bzw. vom Himmel als Symbol Gottes (1Makk 4,10So wollen wir nun den Himmel anrufen, ob er uns gnädig sein und an den Bund denken will, den er mit unsern Vätern geschlossen hat, und dieses Heer heute vor unsern Augen vernichtet.Zur Bibelstelle; Dan 4,24Darum, mein König, lass dir meinen Rat gefallen und mache dich los und ledig von deinen Sünden durch Gerechtigkeit und von deiner Missetat durch Wohltat an den Armen, so wird es dir lange wohlergehen.Zur Bibelstelle) die Rede. Der „himmlische Thron“ (Jes 6,1–5[1] In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel. [2] Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie. [3] Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! [4] Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch.[5] Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.Zur Bibelstelle) sowie die Erwähnung eines himmlischen Hofstaates (1Kön 22,19Micha sprach: Darum höre nun das Wort des Herrn! Ich sah den Herrn sitzen auf seinem Thron und das ganze himmlische Heer neben ihm stehen zu seiner Rechten und Linken.Zur Bibelstelle; Ijob 1,6Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den Herrn traten, kam auch der Satan mit ihnen.Zur Bibelstelle) sind weitere Symbole der universalen Herrschaft Gottes.9Vgl. Vorgrimler, Herbert, Geschichte des Paradieses und des Himmels. Mit einem Exkurs über Utopie, München/Paderborn 2008, 83–86.

    Abgesehen von der Entrückung Elijas (2Kön 2,1.3[1] Als aber der Herr Elia im Wettersturm gen Himmel holen wollte, gingen Elia und Elisa von Gilgal weg. [2] Und Elia sprach zu Elisa: Bleibe du hier, denn der Herr hat mich nach Bethel gesandt. Elisa aber sprach: So wahr der Herr lebt und du lebst: Ich verlasse dich nicht. Und als sie hinab nach Bethel kamen, [3] gingen die Prophetenjünger, die in Bethel waren, heraus zu Elisa und sprachen zu ihm: Weißt du auch, dass der Herr heute deinen Herrn hinwegnehmen wird, hoch über dein Haupt hinweg? Er aber sprach: Auch ich weiß es wohl; schweigt nur still.Zur Bibelstelle; Sir 48,9–12[9] Du wurdest emporgehoben in einem Feuersturm, auf einem Wagen mit feurigen Rossen. [10] Du bist bestimmt worden, zur rechten Zeit bereit zu sein, den Zorn zu stillen, ehe der Grimm kommt: das Herz des Vaters wieder zum Sohn zu kehren und die Stämme Jakobs wieder aufzurichten. [11] Wohl denen, die dich gesehen haben und in Liebe zu dir entschlafen sind! So werden auch wir das Leben haben.[12] Als Elia im Feuersturm verborgen war, kam sein Geist auf Elisa. Zu seiner Zeit erschrak er vor keinem Herrscher, und niemand hatte Gewalt über ihn.Zur Bibelstelle) bleibt der Himmel weitgehend JHWH vorbehalten. Die Vorstellung eines jenseitigen Seins bei Gott entwickelt sich in Israel erst sukzessiv (Weish 3,1–9[1] Aber die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand, und keine Qual rührt sie an. [2] In den Augen der Unverständigen galten sie als tot. Ihr Scheiden wurde für Strafe gehalten [3] und ihr Fortgehen für Verderben; aber sie sind im Frieden. [4] Obwohl sie den Menschen gestraft erscheinen, sind sie doch erfüllt von Hoffnung auf Unsterblichkeit. [5] Sie wurden ein wenig gezüchtigt, aber viel Gutes wird ihnen widerfahren; denn Gott versuchte sie und fand sie seiner wert. [6] Er prüfte sie wie Gold im Schmelzofen und nahm sie an wie ein Ganzopfer.[7] Und zur Zeit ihrer Rettung werden sie aufleuchten und wie Funken durch ein Stoppelfeld stieben. [8] So werden sie die Heiden richten und über die Völker herrschen, und der Herr wird König sein über sie in Ewigkeit. [9] Die auf ihn vertrauen, werden die Wahrheit erkennen, und die treu sind in der Liebe, werden bei ihm bleiben. Denn Gnade und Barmherzigkeit wohnt bei seinen Heiligen, und er rettet seine Auserwählten.Zur Bibelstelle; Ps 49,16Aber Gott wird mich erlösen aus des Todes Gewalt;denn er nimmt mich auf. SELA.Zur Bibelstelle) – bis hin zur Auferstehung aller Toten, die mit dem Dual von Himmel und Hölle einhergeht (2Makk 6,26Wenn ich auch jetzt der Strafe der Menschen entgehen würde, so kann ich doch den Händen des Allmächtigen nicht entfliehen, weder lebendig noch tot.Zur Bibelstelle; Dan 12,1–3[1] Zu jener Zeit wird Michael auftreten, der große Engelfürst, der für dein Volk einsteht. Denn es wird eine Zeit so großer Trübsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Aber zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen. [2] Und viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande. [3] Und die Verständigen werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.Zur Bibelstelle).10Vgl. Bieberstein, Klaus, Jenseits der Todesschwelle. Die Entstehung der Auferweckungshoffnungen in der alttestamentlich-frühjüdischen Literatur, in: Berlejung, Angelika/Janowski, Bernd (Hrsg.), Tod und Jenseits im Alten Israel und in seiner Umwelt. Theologische, religionsgeschichtliche, archäologische und ikonographische Aspekte, Tübingen 2009, 423–446; Vorgrimler, Geschichte, 2008, 86–91. Dies hängt v. a. damit zusammen, dass JHWH als Gott der Lebenden konzipiert ist, der sich v. a. für Gerechtigkeit einsetzt.

    2.2. Neues Testament

    Die Schriften des Neuen Testamentes knüpfen an dieser kosmologischen Konzeption und den skizzierten theologischen Codierungen an: Der Himmel wird nun konsequent zur Wohnstätte Gottes (2Kor 5,1Denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.Zur Bibelstelle; Joh 14,2–7[2] In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? [3] Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seid, wo ich bin. [4] Und wo ich hingehe – den Weg dahin wisst ihr.[5] Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? [6] Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. [7] Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.Zur Bibelstelle; Mt 6,9Darum sollt ihr so beten:Unser Vater im Himmel!Dein Name werde geheiligt.Zur Bibelstelle). Dort thront Gott (Mt 5,34Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron;Zur Bibelstelle; Hebr 8,1Das ist nun die Hauptsache bei dem, wovon wir reden: Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät im HimmelZur Bibelstelle) als „Vater im Himmel“ (Mt 5,16So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.Zur Bibelstelle) – nun jedoch mit dem zum Himmel aufgefahrenen (Lk 24, 50–53[50] Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. [51] Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. [52] Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude [53] und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.Zur Bibelstelle) (vgl. Art. Himmelfahrt) und zu seiner rechten Seite erhöhten Christus (Apg 1,10f[10] Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. [11] Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.Zur Bibelstelle; 3,21Ihn muss der Himmel aufnehmen bis zu den Zeiten, in denen alles wiederhergestellt wird, wovon Gott geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von Anbeginn.Zur Bibelstelle; Hebr 12,2und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.Zur Bibelstelle). Mit diesem christologischen Turn ist eine individualeschatologische Pointe verknüpft: Wer sich nunmehr Gott gegenüber als treu erweist, der findet seinen „gerechten Lohn“ (Mt 5,12Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.Zur Bibelstelle) – verstanden als eine Wohnung im Himmel (2 Kor 5,1Denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.Zur Bibelstelle; Joh 14,2–7[2] In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? [3] Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seid, wo ich bin. [4] Und wo ich hingehe – den Weg dahin wisst ihr.[5] Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? [6] Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. [7] Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.Zur Bibelstelle) bzw. als „ewiges Leben“ – bei Gott bzw. Christus (Offb 2,7Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist.Zur Bibelstelle.10f[10] Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.[11] Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tode.Zur Bibelstelle; Mk 10,17Und als er hinausging auf den Weg, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?Zur Bibelstelle parr; Röm 6,23Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.Zur Bibelstelle; Joh 14,3Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seid, wo ich bin.Zur Bibelstelle). Der Himmel ist damit auch mit der Hoffnung verbunden, Gott zu schauen (Mt 5,8Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.Zur Bibelstelle; 1Kor 13,12Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.Zur Bibelstelle; 1Joh 3,2Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.Zur Bibelstelle; Offb 22,4und sein Angesicht sehen, und sein Name wird an ihren Stirnen sein.Zur Bibelstelle). Für diejenigen, die an Christus glauben, ist das obere Jerusalem somit schon im Hier und Heute Mutter (Eph 2,6und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus,Zur Bibelstelle; Kol 3,1Seid ihr nun mit Christus auferweckt, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.Zur Bibelstelle) und Heimat (Gal 4,26; Phil 3,20Wir aber sind Bürger im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus,Zur Bibelstelle), in welcher der gefallene Satan keine Macht mehr hat (Lk 10,18Er sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz.Zur Bibelstelle). In diesem Zusammenhang kann bereits das Kommen des Menschensohnes vom Himmel (Joh 3,13Und niemand ist gen Himmel aufgefahren außer dem, der vom Himmel herabgekommen ist, nämlich der Menschensohn.Zur Bibelstelle) und seine Offenbarung der Geheimnisse (Mt 13,11Er antwortete und sprach zu ihnen: Euch ist’s gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Himmelreichs, diesen aber ist’s nicht gegeben.Zur Bibelstelle) als Verschränkung zwischen Himmel und Erde verstanden werden.

    Diese Verschränkung ist nicht mit einer „Entweltlichung“ zu verwechseln: Jesu zentrale Chiffre zur Ausdeutung des Himmels ist die Reich-Gottes-Metapher und die damit verbundene sowie durch seine Taten bezeugte Botschaft, dass Gott seinen Himmel ins Diesseits hineinreichen lassen möchte.11Vgl. Kehl, Medard, Der Himmel – Die Botschaft christlicher Hoffnung, in: Berger, Klaus et al. (Hrsg.), Bilder des Himmels. Die Geschichte des Jenseits von der Bibel bis zur Gegenwart, Freiburg i. Br. 2006, 197–223, 199; Pemsel-Maier, Sabine, Der Traum vom ewigen Leben. Jetzt verstehe ich die letzten Dinge, Stuttgart 2010, 108–114. Dies ist einerseits als ethischer Impuls zu lesen, am Himmel mitzubauen und andererseits als eschatologische Verheißung, die v. a. in den lebensnahen Gleichnissen Jesu Gestalt gewinnt: So sind bspw. alle ohne Ausnahme zum himmlischen (Fest-)Mahl (Lk 13,29Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.Zur Bibelstelle parr; Lk 14,15Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!Zur Bibelstelle; Mk 8,11Und die Pharisäer kamen heraus und fingen an, mit ihm zu streiten, versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel.Zur Bibelstelle) bzw. der Hochzeit (Mt 22,1f[1] Und Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach: [2] Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.Zur Bibelstelle; Offb 19,7–9[7] Lasst uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet. [8] Und es wurde ihr gegeben, sich zu kleiden in Seide, glänzend und rein. – Die Seide aber ist das gerechte Tun der Heiligen.[9] Und er sprach zu mir: Schreibe: Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind. Und er sprach zu mir: Dies sind wahrhaftige Worte Gottes.Zur Bibelstelle) eingeladen. Und das Bild des Paradieses (Lk 23,43Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.Zur Bibelstelle) fokussiert – in deutlicher Anspielung auf die Schilderung des Gartens Eden (Gen 2,8–25[8] Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. [9] Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.[10] Und es geht aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilt sich von da in vier Hauptarme. [11] Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; [12] und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. [13] Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. [14] Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat.[15] Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. [16] Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, [17] aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.[18] Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht. [19] Und Gott der Herr machte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen. [20] Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen; aber für den Menschen wurde keine Hilfe gefunden, die ihm entsprach.[21] Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. [22] Und Gott der Herr baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. [23] Da sprach der Mensch: Die ist nun Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist. [24] Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch. [25] Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und schämten sich nicht.Zur Bibelstelle) – die friedliche Verbundenheit von Gott, Mensch und (Um-)Welt.

    Weiterführende Infos WiBiLex

    Weiterführende Informationen finden sich hier: John, Felix, Art. Himmel (NT), in: WiBiLex, 2015 (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/46898/), abgerufen am 28.04.2025.

    3. Systematische Spotlights des Himmels

    U. a. diese biblischen Bezugspunkte bildeten entlang der Theologie- und Kulturgeschichte12Vgl. Lang/McDannell, Himmel, 1990, 75–407. – gemeinsam mit außerbiblischen Texten des frühen Judentums, mit apokryphen Texten des Neuen Testaments sowie mit Elementen aus Dichtung, Mystik und Visionenliteratur13Vgl. Vorgrimler, Geschichte, v. a. 91–101; 106–116; 177–214. – den Nährboden für verschiedene, kontextuell geprägte systematisch-theologische Entwürfe des Himmels, für die kirchliche Lehre des Himmels sowie für alternative Zugänge. Ohne eine dieser Entwicklungslinien detailliert zu folgen, lassen sich im folgende systematisch-theologischen Akzente einer aktuellen Minima Theologia des Himmels festhalten:14Vgl. Vorgrimler, Geschichte, 166f.

    3.1. Himmel als eschatologisch-dynamisches Begegnungsgeschehen

    Aufgrund der physikalisch-religiösen Doppeldeutigkeit („sky“/„heaven“) und damit einhergehender hermeneutischer Schwierigkeiten verhandelt die Theologie die „Sache des Himmels“ zwar weiterhin, nutzt dazu jedoch meist andere Chiffren – v. a. jene der Vollendung bzw. der Fülle.15Vgl. Miggelbrink, Ralf, Die Lebensfülle Gottes. Ein systematisch-theologischer Versuch über die biblische Rede vom Himmel, in: Jahrbuch für biblische Theologie 20 (2005), 325–356, 343–353. Wie diese Terminologie bereits formal zu erkennen gibt, geht es ihr also nicht (mehr) um eine kosmologische, sondern eine theologische Verortung. Inhaltlich lässt sich diese Vollendung – als mehrfaches personales Begegnungs- bzw. Beziehungsgeschehen verstehen:

    Theozentrisch akzentuiert, bedeutet Himmel für den Einzelnen zunächst „ein glückendes Hineingenommensein in die Beziehung Jesu zu seinem Vater, dem schöpferischen Grund unendlicher Liebe“ und dem Heiligen Geist.16Vgl. Kehl, Medard, Eschatologie, Würzburg 1986, 289. Dieses Bild der im Band der Liebe verbundenen gott-menschlichen Gemeinschaft kann als affektiv-emotionale Seite dessen verstanden werden, was gipfelnd in der mittelalterlichen Hochscholastik17Vgl. Lang, Bernhard, Himmel und Hölle. Jenseitsglaube von der Antike bis heute, München 2009, 62–65. bis heute auch im theoretisch-intellektuellen Bild der Schau Gottes (visio beatifica) benannt ist.18Vgl. Vorgrimler, Herbert, Hoffnung auf Vollendung. Aufriß der Eschatologie (QD 90), Freiburg i. Br. 1984, 166f.

    Die anthropozentrische Perspektive ergänzt diesen Zugang und bewahrt davor, den Himmel als welt- und menschenfernes Geschehen misszuverstehen: U. a. im Rückgriff auf die biblischen Bilder des Festmahls und der Hochzeit wird Himmel zugleich als „soziale Wirklichkeit“ akzentuiert, in der es um die interpersonale Begegnung (communio sanctorum) geht – und damit auch um Versöhnung.19Vgl. Moltmann, Jürgen, Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie, Gütersloh 1995, 128–131. Denn mit der christlich begründeten Hoffnung, dass die himmlische Gemeinschaft allen Menschen zuteilwird, wird nicht nur den Opfern der Geschichte erlösende Gerechtigkeit zuteil. Auch die schuldig gewordenen Täter erhalten die Chance, in Gottes Wahrheit zu kommen.20Vgl. Ansorge, Dirk, Vergebung auf Kosten der Opfer? Umrisse einer Theologie der Versöhnung, in: SaThZ 6 (2002), 36–58. Diese verdichteten Ausführungen deuten zugleich an, dass der Himmel keine statische Vorstellung ist, sondern vielmehr ein dynamisches Geschehen – ein Werden, in dem der Mensch durch vielfache Begegnungen mit Menschen und mit Gott zu sich selbst kommt.

    3.2. Himmel als Indikativ und präsentischer Imperativ

    Die jüngere Theologie entwirft „Himmel“ jedoch nicht nur als „Jenseitsmetapher“21Miggelbrink, Lebensfülle, 326f. . Vielmehr schließt sie auch an Jesu Predigt über das Reich Gottes an und betont dessen präsentische Dimension:22Vgl. Reményi, Matthias, Auferstehung denken. Anwege, Grenzen und Modelle personaleschatologischer Theoriebildung, Freiburg i. Br. 2016, 213–219; Mühling, Markus, Grundinformation Eschatologie. Systematische Theologie aus der Perspektive der Hoffnung, Göttingen 22022, 387–393. Himmel ist in dieser Perspektive die von Gott entgegenkommende und schon im Hier und Jetzt wirksame Gnade (Lk 17,21man wird auch nicht sagen: Siehe, hier!, oder: Da! Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch.Zur Bibelstelle), die uns zugesagt ist (Indikativ). Das heißt zum einen, dass unsere Lebenswelt bereits auf Gott hin geöffnet ist. Zugleich geht damit auch die Aufforderung einher, auf Erden nach den ethischen Maßstäben des Himmels zu handeln (Imperativ). Indem Menschen das Böse zurückdrängen, bauen sie am Reich Gottes mit.23Vgl. Häring, Hermann, Was bedeutet Himmel?, Zürich 1980, 38–59.

    3.3. Himmel als Chiffre für die bleibende Transzendenz Gottes

    Die beiden skizzierten Spotlights suggerieren, dass es die Ratio des Menschen letztlich doch zu bestimmen vermag, was der Himmel und damit auch wer und wie Gott ist. Deshalb gehört es bei aller Beredsamkeit unbedingt zu einer verantwortungsvollen Theologie, die Metapher des religiös-existenziellen Himmels nicht überzustrapazieren. Daher nutzt die Theologie den menschlichen Erfahrungshorizont des physikalischen Himmels – u. a. mit seiner Distanz und Nähe, seiner Be- und Entzogenheit – als sprachliche Chiffre für die bleibende Transzendenz Gottes. Dieser Drive zeigt sich u. a. dort, wo der (biblische) Plural der Himmelskonzeptionen nicht für eine Interpretation nivelliert wird. Oder auch dort, wo die Reflexion über den Himmel im Sinne der Negativen Theologie einholt, was Himmel nicht ist.24Vgl. Pemsel-Maier, Traum, 116.

    Siehst du den Himmel schon? (Unter freiem Himmel: Das Lagerfeuer für Nomaden-Christ:innen, RefLab), 20.06.2023.

    4. Zur dialektischen Struktur der Hoffnung

    Vor der skizzierten Hintergrundfolie erweist sich theologisches Denken und Sprechen vom Himmel schließlich als dialektischer Prozess: Himmel ist Gnade und Anspruch, Zusage und Apell, Bezogenheit und Entzogenheit, weder ganz da – noch ganz entfernt,25Vgl. Küng, Hans, Ewiges Leben?, München/Zürich 112011, 183–187. begründete Hoffnung und bleibendes Mysterium zugleich. Himmel in dieser dialektischen Struktur und Spannung als „Symbol der Hoffnung“26Häring, Himmel, 21. zu entwerfen, bewahrt einerseits vor verführerischen Heilsversprechen oder falscher Heilsgewissheit. Andererseits bietet dieser erkenntnistheoretisch geerdete Zugang den Nährboden für eine rational einholbare und dadurch tragfähige „Hoffnungsgewissheit“,27Schärtl, Thomas, Eschatologie und christliche Hoffnungsgewissheit, in: Werbick, Jürgen et al. (Hrsg.), Glaubensgewissheit und Gewalt. Eschatologische Erkundungen in Islam und Christentum, Paderborn 2011, 153–175, 153–161. aus der heraus wir in zweifelndem Glauben Gott um sein himmlisches Heil bitten können und dürfen.28Vgl. Körtner, Ulrich, Die letzten Dinge, Göttingen 2014, 84–87.

    Bibliographical Entries

    Berger, Klaus et al. (Hrsg.), Bilder des Himmels. Die Geschichte des Jenseits von der Bibel bis zur Gegenwart, Freiburg i. Br. 2006.

    Heger, Johannes, Art. Himmel, in: WiReLex, 2021 (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/200868/), abgerufen am 28.04.2025.

    Lang, Bernhard, Himmel und Hölle. Jenseitsglaube von der Antike bis heute, München 22009.

    Lang, Bernhard/McDannell, Colleen, Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens, Frankfurt a. M. 1990.

    Mühling, Markus, Grundinformation Eschatologie. Systematische Theologie aus der Perspektive der Hoffnung, Göttingen 22022.

    Pemsel-Maier, Sabine, Der Traum vom ewigen Leben. Jetzt verstehe ich die letzten Dinge, Stuttgart 2010.

    Vorgrimler, Herbert, Geschichte des Paradieses und des Himmels. Mit einem Exkurs über Utopie, München/Paderborn 2008.

    Notes

    • 1
      Rahner, Johanna, Einführung in die christliche Eschatologie, Freiburg 2016, 322.
    • 2
      Vgl. Heger, Johannes, Art. Himmel, in: WiReLex, 2021 (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/200868/), abgerufen am 28.04.2025, Abs. 2.
    • 3
      Vgl. Heger, Johannes, Art. Eschatologie, in: WiReLex, 2024 (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/100164/), abgerufen am 28.04.2025, Abs. 4.2.
    • 4
      Vgl. Ratzinger, Joseph, Eschatologie – Tod und ewiges Leben, Regensburg 2017, 185.
    • 5
      Imbach, Josef, Himmelsglaube und Höllenangst. Was wissen wir vom Leben nach dem Tod?, München 1987, 55.
    • 6
      Vgl. Bernheim, Pierre A./Stavrides, Guy, Das Paradies – Verheißungen vom glücklichen Jenseits, Düsseldorf 2004, 196–213.
    • 7
      Vgl. Lang, Bernhard/McDannell, Colleen, Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens, Frankfurt a. M. 1990, 17–24.
    • 8
      Vgl. Fetz, Reto L., Der Himmel als Symbol. Die moderne Umdeutung eines mythischen Raumes, in: Jahrbuch für Biblische Theologie 20 (2005), 59–82.
    • 9
      Vgl. Vorgrimler, Herbert, Geschichte des Paradieses und des Himmels. Mit einem Exkurs über Utopie, München/Paderborn 2008, 83–86.
    • 10
      Vgl. Bieberstein, Klaus, Jenseits der Todesschwelle. Die Entstehung der Auferweckungshoffnungen in der alttestamentlich-frühjüdischen Literatur, in: Berlejung, Angelika/Janowski, Bernd (Hrsg.), Tod und Jenseits im Alten Israel und in seiner Umwelt. Theologische, religionsgeschichtliche, archäologische und ikonographische Aspekte, Tübingen 2009, 423–446; Vorgrimler, Geschichte, 2008, 86–91.
    • 11
      Vgl. Kehl, Medard, Der Himmel – Die Botschaft christlicher Hoffnung, in: Berger, Klaus et al. (Hrsg.), Bilder des Himmels. Die Geschichte des Jenseits von der Bibel bis zur Gegenwart, Freiburg i. Br. 2006, 197–223, 199; Pemsel-Maier, Sabine, Der Traum vom ewigen Leben. Jetzt verstehe ich die letzten Dinge, Stuttgart 2010, 108–114.
    • 12
      Vgl. Lang/McDannell, Himmel, 1990, 75–407.
    • 13
      Vgl. Vorgrimler, Geschichte, v. a. 91–101; 106–116; 177–214.
    • 14
      Vgl. Vorgrimler, Geschichte, 166f.
    • 15
      Vgl. Miggelbrink, Ralf, Die Lebensfülle Gottes. Ein systematisch-theologischer Versuch über die biblische Rede vom Himmel, in: Jahrbuch für biblische Theologie 20 (2005), 325–356, 343–353.
    • 16
      Vgl. Kehl, Medard, Eschatologie, Würzburg 1986, 289.
    • 17
      Vgl. Lang, Bernhard, Himmel und Hölle. Jenseitsglaube von der Antike bis heute, München 2009, 62–65.
    • 18
      Vgl. Vorgrimler, Herbert, Hoffnung auf Vollendung. Aufriß der Eschatologie (QD 90), Freiburg i. Br. 1984, 166f.
    • 19
      Vgl. Moltmann, Jürgen, Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie, Gütersloh 1995, 128–131.
    • 20
      Vgl. Ansorge, Dirk, Vergebung auf Kosten der Opfer? Umrisse einer Theologie der Versöhnung, in: SaThZ 6 (2002), 36–58.
    • 21
      Miggelbrink, Lebensfülle, 326f.
    • 22
      Vgl. Reményi, Matthias, Auferstehung denken. Anwege, Grenzen und Modelle personaleschatologischer Theoriebildung, Freiburg i. Br. 2016, 213–219; Mühling, Markus, Grundinformation Eschatologie. Systematische Theologie aus der Perspektive der Hoffnung, Göttingen 22022, 387–393.
    • 23
      Vgl. Häring, Hermann, Was bedeutet Himmel?, Zürich 1980, 38–59.
    • 24
      Vgl. Pemsel-Maier, Traum, 116.
    • 25
      Vgl. Küng, Hans, Ewiges Leben?, München/Zürich 112011, 183–187.
    • 26
      Häring, Himmel, 21.
    • 27
      Schärtl, Thomas, Eschatologie und christliche Hoffnungsgewissheit, in: Werbick, Jürgen et al. (Hrsg.), Glaubensgewissheit und Gewalt. Eschatologische Erkundungen in Islam und Christentum, Paderborn 2011, 153–175, 153–161.
    • 28
      Vgl. Körtner, Ulrich, Die letzten Dinge, Göttingen 2014, 84–87.

    Cite as

    Heger, Johannes : „Himmel“, Version 1.0, in: Onlinelexikon Systematische Theologie, 1 May 2025. DOI: https://doi.org/10.15496/publikation-106120

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