1. Relevanz, Problem und Besonderheit
Der Begriff Verantwortung spielt in alltäglichen, populären wie fachwissenschaftlichen Debatten eine zentrale Rolle. Das gilt auch für (theologische) Bereichsethiken: In der Friedensethik etwa wird die „Responsibility to Protect“1Huber, Wolfgang, Ethik. Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod, München 2013, 237, kursiv im Original. diskutiert, in der Ethik nachhaltiger Entwicklung kommt die „Verantwortung für Gottes Schöpfung“2Kirchenamt der EKD (Hrsg.), Umkehr zum Leben. Nachhaltige Entwicklung im Zeichen des Klimawandels. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2009, 105; vgl. auch McFague, Sallie, A New Climate for Theology. God, the World, and Global Warming, Seoul 2008. vor. In der Medienethik hat Rüdiger Funiok 
 von einer „gestuften“ Verantwortung gesprochen und so mit Bernhard Debatin
 von einer „gestuften“ Verantwortung gesprochen und so mit Bernhard Debatin 
 fragen können, welche Verantwortung Medienschaffenden, Medienbetreiber*innen und Mediennutzer*innen zukommt.3Vgl. Rüdiger Funiok, Medienethik. Der Wertediskurs über Meiden ist unverzichtbar, 26.05.2002 (http://www.bpb.de/apuz/25396/medienethik?p=all), abgerufen am 16.09.2025. Das zeigt schon, worin die grundlegende Relevanz besteht: Zentral adressiert „Verantwortung“ das Problem, wer wofür genau zuständig ist.4Für Bayertz ist das Bezugsproblem von Verantwortung das „Problem der Zurechnung“ (Bayertz, Kurt, Eine kurze Geschichte der Herkunft der Verantwortung, in: ders. (Hrsg.), Verantwortung. Prinzip oder Problem?, Darmstadt 1995, 3–69, hier 4). Mit dieser Frage ist Verantwortung schon als ein mehrstelliger Beziehungsbegriff verstanden, der mindestens ein Subjekt der Verantwortung (Wer?) und einen Zuständigkeitsbereich (Wofür?) impliziert, wobei in der Literatur meist noch Bewertungsmaßstäbe und Instanz (Wovor?) als weitere Relate genannt werden.5Für Verantwortung als „mehrstelligen Relationsbegriff“ und die genannten Relationen vgl. Bayertz, Geschichte, 15–19. Daraus folgen weitere Fragen, etwa, ob nur Einzelne oder auch Kollektive verantwortlich sein können, wie Verantwortungsbereiche begrenzt sind oder woran sich verantwortliches Handeln orientiert. Gegenüber ähnlichen Begriffen wie etwa „Pflicht“ oder „Verpflichtung“ liegt das Besondere des Verantwortungsbegriffs darin, dass er „das Konfrontiertsein mit Sollenskonflikten sowie -kontingenzen und den Umgang damit“6Höhne, Florian, Verantwortung in der evangelischen Ethik. Begriff – Imagination – Soziale Praxis, Berlin 2024, 368. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit Begriff, Begriffsgeschichte, sozialer Praxis und theologischer Bedeutung von Verantwortung vgl. Höhne, Verantwortung. meint. Verantwortlich sein heißt – einfach gesagt –, nicht von vornherein schon genau zu wissen, was zu tun ist. Im Rückblick auf Vergangenes, also retrospektiv, wird aus der Frage nach Verantwortung die Frage nach Schuld und Rechenschaft.
 fragen können, welche Verantwortung Medienschaffenden, Medienbetreiber*innen und Mediennutzer*innen zukommt.3Vgl. Rüdiger Funiok, Medienethik. Der Wertediskurs über Meiden ist unverzichtbar, 26.05.2002 (http://www.bpb.de/apuz/25396/medienethik?p=all), abgerufen am 16.09.2025. Das zeigt schon, worin die grundlegende Relevanz besteht: Zentral adressiert „Verantwortung“ das Problem, wer wofür genau zuständig ist.4Für Bayertz ist das Bezugsproblem von Verantwortung das „Problem der Zurechnung“ (Bayertz, Kurt, Eine kurze Geschichte der Herkunft der Verantwortung, in: ders. (Hrsg.), Verantwortung. Prinzip oder Problem?, Darmstadt 1995, 3–69, hier 4). Mit dieser Frage ist Verantwortung schon als ein mehrstelliger Beziehungsbegriff verstanden, der mindestens ein Subjekt der Verantwortung (Wer?) und einen Zuständigkeitsbereich (Wofür?) impliziert, wobei in der Literatur meist noch Bewertungsmaßstäbe und Instanz (Wovor?) als weitere Relate genannt werden.5Für Verantwortung als „mehrstelligen Relationsbegriff“ und die genannten Relationen vgl. Bayertz, Geschichte, 15–19. Daraus folgen weitere Fragen, etwa, ob nur Einzelne oder auch Kollektive verantwortlich sein können, wie Verantwortungsbereiche begrenzt sind oder woran sich verantwortliches Handeln orientiert. Gegenüber ähnlichen Begriffen wie etwa „Pflicht“ oder „Verpflichtung“ liegt das Besondere des Verantwortungsbegriffs darin, dass er „das Konfrontiertsein mit Sollenskonflikten sowie -kontingenzen und den Umgang damit“6Höhne, Florian, Verantwortung in der evangelischen Ethik. Begriff – Imagination – Soziale Praxis, Berlin 2024, 368. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit Begriff, Begriffsgeschichte, sozialer Praxis und theologischer Bedeutung von Verantwortung vgl. Höhne, Verantwortung. meint. Verantwortlich sein heißt – einfach gesagt –, nicht von vornherein schon genau zu wissen, was zu tun ist. Im Rückblick auf Vergangenes, also retrospektiv, wird aus der Frage nach Verantwortung die Frage nach Schuld und Rechenschaft.
2. Bedeutungsstränge
Woher kommt der Verantwortungsbegriff? Häufig wird darauf verwiesen, dass Verantwortung als ethischer Begriff relativ jung ist7Vgl. Bayertz, Geschichte, 3; Vogelmann, Frieder, Im Bann der Verantwortung. Teilw. zugl.: Frankfurt a. M., Univ., Diss., 2013 (Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie 20), Frankfurt a. M. 2014, 26. und ursprünglich aus dem Bereich des Rechts kommt, wo er zunächst nur die Verteidigungsrede „vor Gericht“ meinte.8Vgl. Vogelmann, Bann, 27 f; Waldenfels, Bernhard, Responsive Ethik zwischen Antwort und Verantwortung, in: DZPhil 58 (2010), 71–81, 73; Kreß, Hartmut, Verantwortungsethik als Ethik der Person, in: Kreß, Hartmut/Müller, Wolfgang Erich (Hrsg.), Verantwortungsethik heute. Grundlagen und Konkretionen einer Ethik der Person, Stuttgart 1997, 115–238, hier 117. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wird der Begriff als ethischer populär.9Vgl. Bayertz, Geschichte, 3. Dies ist Kurt Bayertz 
 zufolge mit einem Bedeutungszuwachs einhergegangen:10Vgl. Bayertz, Geschichte, 24.43.45. Der Begriff meine nun nicht mehr nur juristische Verteidigung, sondern auch zugeschriebene Aufgaben und politische Rechenschaftspflicht.11Vgl. Bayertz, Geschichte, 32–35.36–47, v. a. 43.45.
 zufolge mit einem Bedeutungszuwachs einhergegangen:10Vgl. Bayertz, Geschichte, 24.43.45. Der Begriff meine nun nicht mehr nur juristische Verteidigung, sondern auch zugeschriebene Aufgaben und politische Rechenschaftspflicht.11Vgl. Bayertz, Geschichte, 32–35.36–47, v. a. 43.45.
Vor diesem Hintergrund lassen sich im Rückgriff vor allem auf Kurt Bayertz 
 12Vgl. auch für das Folgende Bayertz, Geschichte. und Hans Richard Reuter
12Vgl. auch für das Folgende Bayertz, Geschichte. und Hans Richard Reuter 
 13Vgl. auch für das Folgende Hans-Richard Reuter, Das ethische Stichwort: Verantwortung, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik 55. 2011, 301–304. drei, miteinander verwobene Bedeutungsstränge von Verantwortung unterscheiden.
13Vgl. auch für das Folgende Hans-Richard Reuter, Das ethische Stichwort: Verantwortung, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik 55. 2011, 301–304. drei, miteinander verwobene Bedeutungsstränge von Verantwortung unterscheiden.
- Verantwortung retrospektiv: In dem von Bayertz beschriebenen „klassische[n] Modell der Verantwortung“ wird diese retrospektiv zugeschrieben:14Vgl. auch für das Folgende Bayertz, Geschichte, 5–19.45, Zitat S. 5, im Original kursiv. Ein „eingetretene[r] Schaden“15Bayertz, Geschichte, 45. würde darin einem verantwortlichen Menschen als Folge von dessen Handeln zugerechnet.16Vgl. Bayertz, Geschichte, 5. Zum Beispiel: Ein Autounfall ist geschehen. Danach klären etwa Polizei, Versicherungen und Gerichte, wer dafür verantwortlich ist.
- Verantwortung prospektiv: Mit dem neuen Verantwortungsbegriff verbindet Bayertz die Wendung in die Zukunft; Verantwortung werde prospektiv.17Vgl. Bayertz, Geschichte, 32.45. Zugeschrieben werde nun eine auf Zukunft gerichtete Aufgabe:18Vgl. Bayertz, Geschichte, 32. „man ist nicht mehr für negative Folgen verantwortlich, sondern für positive Zustände.“19Bayertz, Geschichte, 32. Was genau Verantwortliche tun (sollen), um solche positiven Zustände zu schaffen, sei – so Bayertz – unbestimmt.20Vgl. Bayertz, Geschichte, 34.41. Paradigma ist ihm hier die politische Verantwortung, besonders das Konzept von „verantwortlicher Regierung“:21Vgl. Bayertz, Geschichte, 36–42, insbes. S. 40, Zitat S. 37. Regierende bleiben „rechenschaftspflichtig“ gegenüber dem Volk.22Vgl. Bayertz, Geschichte, 37f., Zitat S. 37.
- Verantwortung responsiv: Der dritte Bedeutungsstrang betont, was bei den anderen auch eine Rolle spielte – nämlich, dass Verantwortung „Antwort“ ist, im ersten Fall auf eine (An-)Klage,23Vgl. Vogelmann, Bann, 27. im zweiten auf eine Aufgabenstellung. Darüber hinaus ist dieser Bedeutungsstrang besonders in der Ich-Du-Philosophie, der Phänomenologie und – wie Reuter betont – der evangelischen Ethik prominent,24Vgl. Reuter, Verantwortung, 303. wo Verantwortung als Antwort etwa „auf einen fremden Anspruch“ gilt.25Vgl. Reuter, Verantwortung, 303, dort auch das Zitat. Vgl. dazu auch Waldenfels, Ethik.
Weiterführende Infos
Als Begründer und prominenter Vertreter einer Ich-Du-Philosophie ist der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber 
 zu nennen. Eine kurze Einführung zum Hören findet sich hier: https://www.deutschlandfunk.de/13-06-1965-der-juedische-religionsphilosoph-martin-buber-gestorben-100.html, abgerufen am 16.09.2025.
 zu nennen. Eine kurze Einführung zum Hören findet sich hier: https://www.deutschlandfunk.de/13-06-1965-der-juedische-religionsphilosoph-martin-buber-gestorben-100.html, abgerufen am 16.09.2025.
Das Metzler Lexikon Philosophie erklärt „Phänomenologie“ kurz und knapp: https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/phaenomenologie/1559, abgerufen am 16.09.2025.
Vor diesem Hintergrund habe ich vorgeschlagen, Verantwortung von prospektiver Verantwortung her zu verstehen; Verantwortung ist dann „das primär auf zukünftige Erfüllung gerichtete Zugerechnetsein einer relativ unbestimmten Aufgabe zu Akteur:innen, die für die eigenständige Erfüllung dieser Aufgabe gegenüber einer dritten Subjektposition rechenschaftspflichtig bleiben“.26Höhne, Verantwortung, 151.153, Zitat S. 153. Vgl. dort (S. 148–158) auch für eine ausführliche Begründung dieser Definition. Verantwortung ist damit primär in die Zukunft gerichtet verstanden und kann als solches retrospektive Elemente enthalten. Dies ist etwa der Fall, wenn von „Verantwortung aus der Geschichte“ geredet wird und damit die Verantwortung für Gegenwart und Zukunft gemeint ist, die sich aus vergangener Schuld ergibt.
3. Philosophische und sozialwissenschaftliche Perspektiven
Vor allem zwei außertheologische Autoren zur Verantwortung haben die theologische Ethik besonders geprägt: Max Weber 
 und Hans Jonas
 und Hans Jonas 
 .27Reuter referiert ebenfalls diese beiden (vgl. Reuter, Verantwortung, 302f.).
.27Reuter referiert ebenfalls diese beiden (vgl. Reuter, Verantwortung, 302f.).
3.1. Max Weber: Politische Folgenverantwortung
Einschlägig für Max Weber 
 sind seine Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik sowie sein Verständnis politischer „Folgenverantwortung“.28Zur Qualifizierung von Webers Verantwortungsbegriff und dessen Einfluss auf die Theologie verwendet auch Hartmut Kreß
 sind seine Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik sowie sein Verständnis politischer „Folgenverantwortung“.28Zur Qualifizierung von Webers Verantwortungsbegriff und dessen Einfluss auf die Theologie verwendet auch Hartmut Kreß 
 diesen Begriff (vgl. Kreß, Verantwortungsethik, 120). Besagte Unterscheidung nimmt Weber in seinem Vortrag „Politik als Beruf“29Weber, Max, Politik als Beruf, in: Wissenschaft als Beruf 1917/1919. Politik als Beruf 1919, hrsg. v. Wolfgang J. Mommsen u. Wolfgang Schluchter (Studienausgabe der Max Weber Gesamtausgabe I/17), Tübingen 1994, 35–88. von 1919 vor. Genau genommen unterscheidet er dort zwei Maxime, also zwei grundsätzliche Handlungsorientierungen:
 diesen Begriff (vgl. Kreß, Verantwortungsethik, 120). Besagte Unterscheidung nimmt Weber in seinem Vortrag „Politik als Beruf“29Weber, Max, Politik als Beruf, in: Wissenschaft als Beruf 1917/1919. Politik als Beruf 1919, hrsg. v. Wolfgang J. Mommsen u. Wolfgang Schluchter (Studienausgabe der Max Weber Gesamtausgabe I/17), Tübingen 1994, 35–88. von 1919 vor. Genau genommen unterscheidet er dort zwei Maxime, also zwei grundsätzliche Handlungsorientierungen:
[E]s ist ein abgrundtiefer Gegensatz, ob man unter der gesinnungsethischen Maxime handelt – religiös geredet –: ‚der Christ tut recht und stellt den Erfolg Gott anheim‘, oder unter der verantwortungsethischen: daß man für die (voraussehbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat.30Weber, Politik, 79, kursiv im Original.
Mit dem Verantwortungsbegriff verbindet Weber also die Aufgabe des Politikers, nicht nur aus Überzeugung zu handeln, sondern Handlungsoptionen auch nach deren wahrscheinlichen Konsequenzen zu beurteilen.31Vgl. Weber, Politik, 79 f. Verantwortliche berechnen mit ein, dass gut gemeinte Taten böse Konsequenzen haben können.32Vgl. Weber, Politik, 82. Da es in Webers Vortrag um Politiker geht, lässt sich diese Verantwortung hier als politische Folgenverantwortung verstehen.
Weiterführende Infos
Weitere theologische Arbeiten zu Verantwortung als politischem Begriff finden sich u. a. bei Dorothee Sölle 
 , Wolfgang Huber
, Wolfgang Huber 
 und Hille Haker
 und Hille Haker 
 :
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Sölle, Dorothee, Stellvertretung. Ein Kapitel Theologie nach dem „Tode Gottes“, Stuttgart 1965.
Huber, Wolfgang, Konflikt und Konsens. Studien zur Ethik der Verantwortung, München 1990. 
Haker, Hille, Towards a Critical Political Ethics. Catholic Ethics and Social Challenges, Basel/Würzburg 2020.
Entgegen häufiger Missverständnisse sind Verantwortung und Gesinnung dabei übrigens aber keine sich wechselseitig ausschliessenden Alternativen – das hat Weber selbst und in der evangelischen Verantwortungsethik etwa Wolfgang Huber 
 betont.33Vgl. Weber, Politik, 79.87; Huber, Wolfgang, Sozialethik als Verantwortungsethik, in: ders. (Hrsg.), Konflikt und Konsens. Studien zur Ethik der Verantwortung, München 1990, 135–157, 138–141. Huber spricht von „Scheinalternative“ (Huber, Sozialethik, 139). Weber schrieb: „Insofern sind Gesinnungsethik und Verantwortungsethik nicht absolute Gegensätze, sondern Ergänzungen, die zusammen erst den echten Menschen ausmachen, den, der den ‚Beruf zur Politik‘ haben kann.“ (Weber, Politik, 86f.).
 betont.33Vgl. Weber, Politik, 79.87; Huber, Wolfgang, Sozialethik als Verantwortungsethik, in: ders. (Hrsg.), Konflikt und Konsens. Studien zur Ethik der Verantwortung, München 1990, 135–157, 138–141. Huber spricht von „Scheinalternative“ (Huber, Sozialethik, 139). Weber schrieb: „Insofern sind Gesinnungsethik und Verantwortungsethik nicht absolute Gegensätze, sondern Ergänzungen, die zusammen erst den echten Menschen ausmachen, den, der den ‚Beruf zur Politik‘ haben kann.“ (Weber, Politik, 86f.).
3.2. Hans Jonas: Entgrenzte Technikfolgenverantwortung
Hans Jonas 
 erweiterte mit seinem „Prinzip Verantwortung“34Jonas, Hans, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt a. M. 1979. von 1979 den Verantwortungsbereich auf einflussreiche Weise: Darin beschreibt Jonas, dass der rasante Technikfortschritt dem Menschen eine Macht gebe, die eine „neue[…] Ethik der Verantwortung für eine entfernte Zukunft“ nötig mache:35Vgl. Jonas, Prinzip, 7–9, 15–58, Zitat S. 55. Weil und insofern menschlicher Technikeinsatz potenziell Konsequenzen habe für „die gesamte Biosphäre des Planeten“, falle die Sorge um diese – Jonas zufolge, nun anders als früher – auch in den Verantwortungsbereich des Menschen.36Vgl. Jonas, Prinzip, 26f., Zitat S. 27. Damit geht es nicht mehr um nahe, absehbare Folgen wie bei Weber, sondern um solche, die nur unsicher prognostiziert werden könnten37Vgl. Jonas, Prinzip, 66.68f. Vgl. dazu auch Huber, Sozialethik, 146. – und genau diese Ungewissheit will Jonas in seiner Verantwortungsethik mitdenken.38Vgl. Jonas, Prinzip, 70. Dieser Forderung sucht Jonas mit der vorsichtsorientierten (tutioristischen) Vorschrift Rechnung zu tragen, „daß der Unheilsprophezeiung mehr Gehör zu geben ist als der Heilsprophezeihung“.39Vgl. Jonas, Prinzip, 70.76–83, Zitat S. 70, kursiv im Original. Diese wiederum gründet bei Jonas im zentralen Prinzip seiner Verantwortungsethik, das intergenerational zur Sorge um die Zukunft der Menschheit verpflichtet40Vgl. Jonas, Prinzip, 84–95. – es lautet: „Niemals darf Existenz oder Wesen des Menschen im Ganzen zum Einsatz in den Wetten des Handelns gemacht werden.“41Jonas, Prinzip, 81.
 erweiterte mit seinem „Prinzip Verantwortung“34Jonas, Hans, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt a. M. 1979. von 1979 den Verantwortungsbereich auf einflussreiche Weise: Darin beschreibt Jonas, dass der rasante Technikfortschritt dem Menschen eine Macht gebe, die eine „neue[…] Ethik der Verantwortung für eine entfernte Zukunft“ nötig mache:35Vgl. Jonas, Prinzip, 7–9, 15–58, Zitat S. 55. Weil und insofern menschlicher Technikeinsatz potenziell Konsequenzen habe für „die gesamte Biosphäre des Planeten“, falle die Sorge um diese – Jonas zufolge, nun anders als früher – auch in den Verantwortungsbereich des Menschen.36Vgl. Jonas, Prinzip, 26f., Zitat S. 27. Damit geht es nicht mehr um nahe, absehbare Folgen wie bei Weber, sondern um solche, die nur unsicher prognostiziert werden könnten37Vgl. Jonas, Prinzip, 66.68f. Vgl. dazu auch Huber, Sozialethik, 146. – und genau diese Ungewissheit will Jonas in seiner Verantwortungsethik mitdenken.38Vgl. Jonas, Prinzip, 70. Dieser Forderung sucht Jonas mit der vorsichtsorientierten (tutioristischen) Vorschrift Rechnung zu tragen, „daß der Unheilsprophezeiung mehr Gehör zu geben ist als der Heilsprophezeihung“.39Vgl. Jonas, Prinzip, 70.76–83, Zitat S. 70, kursiv im Original. Diese wiederum gründet bei Jonas im zentralen Prinzip seiner Verantwortungsethik, das intergenerational zur Sorge um die Zukunft der Menschheit verpflichtet40Vgl. Jonas, Prinzip, 84–95. – es lautet: „Niemals darf Existenz oder Wesen des Menschen im Ganzen zum Einsatz in den Wetten des Handelns gemacht werden.“41Jonas, Prinzip, 81.
Solche Verantwortung für die Zukunft impliziert ein nicht reziprokes Verständnis:42Vgl. Jonas, Prinzip, 85. Vgl. dazu auch Huber, Sozialethik, 146 f. Verantwortung ist zunächst Verantwortung „gegen die Kinder“ und dann „Pflicht gegen spätere Geschlechter“ und geht als solches von den Eltern aus – und nicht gleichermaßen und gleichzeitig von der (ungeborenen,) jüngeren Generation.43Vgl. Jonas, Prinzip, 85, dort auch die Zitate, kursiv im Original. Zur kritischen Auseinandersetzung mit dieser einseitigen Festlegung auf Nicht-Reziprozität vgl. Huber, Sozialethik, 146 f. Verantwortung ist hier also einseitige und ins Ungewisse entgrenzte Technikfolgenverantwortung.
Weiterführende Infos
Technikfolgenveranwortung in der Praxis kann man sich z. B. auf der Seite des Büros für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestags anschauen, wo auch deren laufenden Projekte vorgestellt werden: https://www.tab-beim-bundestag.de/index.php, abgerufen am 16.09.2025.
3.3. Verantwortungskritik: „Regierungstechnologie“, Disziplinierung und Überforderung
Jüngere (sozial-)philosophische Arbeiten haben sich kritisch mit Verantwortung auseinandergesetzt. Das wird mittlerweile in der theologischen Ethik berücksichtigt.44Vgl. besonders Höhne, Verantwortung. Grundlage für die Kritik ist, Verantwortung nicht als wesenhaft gegebene, sondern als Zuschreibungspraxis zu verstehen.45Vgl. Bayertz, Geschichte, 20–24; Günther, Klaus, Verantwortlichkeit in der Zivilgesellschaft, in: Müller-Doohm, Stefan (Hrsg.), Das Interesse der Vernunft. Rückblicke auf das Werk von Jürgen Habermas seit „Erkenntnis und Interesse“, Frankfurt a. M. 2000, 465–485, 469; Vogelmann, Bann, 124–128. Das ermöglicht eine kritische Auseinandersetzung mit den jeweiligen, gesellschaftlichen Zuschreibungspraktiken. In der Tradition vor allem zu Michel Foucault 
 , den Gouvernmentality Studies und/oder zur kritischen Theorie der Frankfurter Schule wird Verantwortung dabei als „Regierungstechnologie“,46Vgl. etwa Sulmowski, Jędrzej, Eigenverantwortung als neoliberale Regierungstechnologie und/oder emanzipatorische Selbst-Ermächtigung? Über die Vielfalt von Responsibilisierungsweisen in einem sozial-ökologischen Gemeinschaftsprojekt, in: Henkel, Anna et al. (Hrsg.), Reflexive Responsibilisierung. Verantwortung für nachhaltige Entwicklung (Sozialtheorie), Bielefeld 2018, 331–349, 332, dort auch der zitierte Begriff. Vgl. dazu auch Höhne, Verantwortung, 2. als Disziplinierung,47Vgl. Günther, Klaus, Zwischen Ermächtigung und Disziplinierung. Verantwortung im gegenwärtigen Kapitalismus, in: Honneth, Axel (Hrsg.), Befreiung aus der Mündigkeit. Paradoxien des gegenwärtigen Kapitalismus (Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie 1), Frankfurt a. M. 2002, 117–139. als Überforderung48Vgl. Heidbrink, Ludger, Handeln in der Ungewissheit. Paradoxien der Verantwortung (Kulturwissenschaftliche Interventionen 7), Berlin 2007, 166 f. oder – viel grundsätzlicher bei Frieder Vogelmann
, den Gouvernmentality Studies und/oder zur kritischen Theorie der Frankfurter Schule wird Verantwortung dabei als „Regierungstechnologie“,46Vgl. etwa Sulmowski, Jędrzej, Eigenverantwortung als neoliberale Regierungstechnologie und/oder emanzipatorische Selbst-Ermächtigung? Über die Vielfalt von Responsibilisierungsweisen in einem sozial-ökologischen Gemeinschaftsprojekt, in: Henkel, Anna et al. (Hrsg.), Reflexive Responsibilisierung. Verantwortung für nachhaltige Entwicklung (Sozialtheorie), Bielefeld 2018, 331–349, 332, dort auch der zitierte Begriff. Vgl. dazu auch Höhne, Verantwortung, 2. als Disziplinierung,47Vgl. Günther, Klaus, Zwischen Ermächtigung und Disziplinierung. Verantwortung im gegenwärtigen Kapitalismus, in: Honneth, Axel (Hrsg.), Befreiung aus der Mündigkeit. Paradoxien des gegenwärtigen Kapitalismus (Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie 1), Frankfurt a. M. 2002, 117–139. als Überforderung48Vgl. Heidbrink, Ludger, Handeln in der Ungewissheit. Paradoxien der Verantwortung (Kulturwissenschaftliche Interventionen 7), Berlin 2007, 166 f. oder – viel grundsätzlicher bei Frieder Vogelmann 
 als „Bann“ und Akt „theoretische[r] Gewalt“49Vogelmann, Bann, 19. kritisiert. All dies erinnert daran, dass Verantwortung kein unschuldiger Begriff ist, sondern dass vielmehr nach der Gerechtigkeit sozialer Zuschreibungspraktiken gefragt werden muss.50Umfassender und grundlegend dazu in theologischer Perspektive vgl. Höhne, Verantwortung.
 als „Bann“ und Akt „theoretische[r] Gewalt“49Vogelmann, Bann, 19. kritisiert. All dies erinnert daran, dass Verantwortung kein unschuldiger Begriff ist, sondern dass vielmehr nach der Gerechtigkeit sozialer Zuschreibungspraktiken gefragt werden muss.50Umfassender und grundlegend dazu in theologischer Perspektive vgl. Höhne, Verantwortung.
4. Theologische Perspektiven
Welche theologischen Ansätze gibt es? Im 20. Jahrhundert haben evangelische theologische Ethiker:innen mit dem Verantwortungsbegriff gearbeitet, den Begriff selbst aber relativ wenig reflektiert. Nach Albert Schweitzers 
 Erwähnungen von Verantwortung waren besonders Dietrich Bonhoeffers
 Erwähnungen von Verantwortung waren besonders Dietrich Bonhoeffers 
 Ethik-Fragmente (1940–1943) impulsgebend;51Band 6 der Dietrich Bonhoeffer, Werke (DBW), hrsg. v. Ilse Tödt et al., Gütersloh 2015 (Sonderausgabe), im Folgenden zitiert als DBW. Zum Einfluss Bonhoeffers vgl. auch Reuter, Verantwortung, 303. nach dem zweiten Weltkrieg sind insbesondere die Arbeiten zum ökumenischen Leitbild einer „verantwortlichen Gesellschaft“,52Vgl. etwa Wendland, Heinz-Dietrich, Der Begriff der „verantwortlichen Gesellschaft“ in seiner Bedeutung für die Sozialethik der Ökumene, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik 9 (1965), 1–16. die Heidelberger Sozialethik (Heinz Eduard Tödt
 Ethik-Fragmente (1940–1943) impulsgebend;51Band 6 der Dietrich Bonhoeffer, Werke (DBW), hrsg. v. Ilse Tödt et al., Gütersloh 2015 (Sonderausgabe), im Folgenden zitiert als DBW. Zum Einfluss Bonhoeffers vgl. auch Reuter, Verantwortung, 303. nach dem zweiten Weltkrieg sind insbesondere die Arbeiten zum ökumenischen Leitbild einer „verantwortlichen Gesellschaft“,52Vgl. etwa Wendland, Heinz-Dietrich, Der Begriff der „verantwortlichen Gesellschaft“ in seiner Bedeutung für die Sozialethik der Ökumene, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik 9 (1965), 1–16. die Heidelberger Sozialethik (Heinz Eduard Tödt 
 , Wolfgang Huber
, Wolfgang Huber 
 ) und die Münchner Ethische Theologie (Trutz Rendtorff
) und die Münchner Ethische Theologie (Trutz Rendtorff 
 ) sowie später die Arbeiten etwa von Ulrich Körtner
) sowie später die Arbeiten etwa von Ulrich Körtner 
 , Hartmut Kreß
, Hartmut Kreß 
 , von Gotlind Ulshöfer
, von Gotlind Ulshöfer 
 zur Corporate Social Responsibility53Vgl. Ulshöfer, Gotlind, Soziale Verantwortung aus protestantischer Perspektive. Kriterien für eine Ethik der Handlungsräume angesichts des Corporate-Social-Responsibility-Diskurses. Zugl.: Tübingen, Univ., Habil.-Schr., 2013, Stuttgart 2015. und grundlegend von Florian Höhne
 zur Corporate Social Responsibility53Vgl. Ulshöfer, Gotlind, Soziale Verantwortung aus protestantischer Perspektive. Kriterien für eine Ethik der Handlungsräume angesichts des Corporate-Social-Responsibility-Diskurses. Zugl.: Tübingen, Univ., Habil.-Schr., 2013, Stuttgart 2015. und grundlegend von Florian Höhne 
 zu nennen.54Für einen ausführlichen Überblick über all diese Ansätze und Debatten vgl. Höhne, Verantwortung, 26–61.232–267. Jeweils drei ausgewählte Impulse und Spannungsfelder dieser Debatte benenne ich im Folgenden:
 zu nennen.54Für einen ausführlichen Überblick über all diese Ansätze und Debatten vgl. Höhne, Verantwortung, 26–61.232–267. Jeweils drei ausgewählte Impulse und Spannungsfelder dieser Debatte benenne ich im Folgenden: 
4.1. Theologische Impulse
- Rechtfertigung. Evangelisch-theologisch ist Verantwortung responsiv, als Antwort auf das Christusgeschehen verstanden worden – gerade von Dietrich Bonhoeffer   :55Vgl. DBW 6, 254. und die dort in Anm. 25 referierte Quelle bei Karl Barth :55Vgl. DBW 6, 254. und die dort in Anm. 25 referierte Quelle bei Karl Barth  . Damit antwortet sie bei ihm auch auf die Rechtfertigung des Sünders.56Vgl. etwa DBW 6, 69–83. Insofern sind Bonhoeffer zufolge verantwortlich Handelnde frei und hoffen auf Gottes Gnade.57Vgl. DBW 6, 283.224f.268. . Damit antwortet sie bei ihm auch auf die Rechtfertigung des Sünders.56Vgl. etwa DBW 6, 69–83. Insofern sind Bonhoeffer zufolge verantwortlich Handelnde frei und hoffen auf Gottes Gnade.57Vgl. DBW 6, 283.224f.268.
- Relativitäten. In seinen Ethik-Fragmenten hat Bonhoeffer auch das Handeln im konspirativen Widerstand reflektiert.58Vgl. etwa DBW 6, Nachwort der Herausgeber, 429; Huber, Wolfgang, Dietrich Bonhoeffer. Auf dem Weg zur Freiheit. Ein Porträt, München 2019, 210; Höhne, Verantwortung, 296. Dort bezieht er den Verantwortungsbegriff vor allem auf „den Bereich der Relativitäten“, in dem es nicht das „absolute Gute“ gibt, sondern durch Abwägung das „Bessere dem weniger Guten vorzuziehen“ ist.59Vgl. DBW 6, 220f.224.246.260.284f., Zitate S. 221. Theologisch entspricht Verantwortung so der „noch nicht erlösten Welt“.60Vgl. etwa Tödt, Heinz Eduard (Hrsg.), Perspektiven theologischer Ethik, München 1988, 17.74f., Zitat S. 75. Verantwortungsethik ist von Bonhoeffer her so die reflektiert abwägende Suche nach dem „relativ Bessere[n]“.61DBW 6, 260. Das reicht bei Bonhoeffer bis hin zur Möglichkeit, dass verantwortlich Handelnde aus Liebe Schuld auf sich nehmen.62Vgl. DBW 6, 275f.
- Option für Benachteiligte. Theologisch ist Verantwortung mit der „vorrangige[n] Option für Benachteiligte“63Dabrock, Peter, Befähigungsgerechtigkeit. Ein Grundkonzept konkreter Ethik in fundamentaltheologischer Perspektive, Gütersloh 2012, 185. verbunden worden. So hat Wolfgang Huber   die Verantwortung vor Gott als Richter mit dem Gleichnis vom Weltgericht aus Mt 25[31] Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich setzen auf den Thron seiner Herrlichkeit, [32] und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, [33] und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.[34] Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! [35] Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. [36] Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.[37] Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? [38] Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? [39] Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? [40] Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.[41] Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! [42] Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. [43] Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht.[44] Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? [45] Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. [46] Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.Zur Bibelstelle so ausgelegt, dass dort nur bestehen werde, was „vorteilhaft“ für Benachteiligte war.64Vgl. Huber, Wolfgang, Von der Freiheit. Perspektiven für eine solidarische Welt (Beck’sche Reihe 6065), München 2012, 84f.93–95, Zitat S. 85; vgl. auch Gebara, Ivone, Longing for Running Water. Ecofeminism and Liberation, Minneapolis 1999. die Verantwortung vor Gott als Richter mit dem Gleichnis vom Weltgericht aus Mt 25[31] Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich setzen auf den Thron seiner Herrlichkeit, [32] und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, [33] und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.[34] Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! [35] Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. [36] Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.[37] Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? [38] Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? [39] Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? [40] Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.[41] Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! [42] Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. [43] Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht.[44] Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? [45] Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. [46] Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.Zur Bibelstelle so ausgelegt, dass dort nur bestehen werde, was „vorteilhaft“ für Benachteiligte war.64Vgl. Huber, Wolfgang, Von der Freiheit. Perspektiven für eine solidarische Welt (Beck’sche Reihe 6065), München 2012, 84f.93–95, Zitat S. 85; vgl. auch Gebara, Ivone, Longing for Running Water. Ecofeminism and Liberation, Minneapolis 1999.
4.2. Spannungen
- Individuum – Sozialstruktur. Verantwortung ist mal eher von der Individual-, mal eher von der Sozialethik her gedacht worden. Eher individualethisch pointiert bezieht Trutz Rendtorff Verantwortung auf die individuelle Lebensführung in sozialen Kontexten.65Vgl. Rendtorff, Trutz, Ethik. Grundelemente, Methodologie und Konkretionen einer ethischen Theologie. Band 1 (Theologische Wissenschaft 13,1), Stuttgart 21990, 9. Der Verantwortungsbegriff zielt dann auf die je nur selbst zu treffende, ganz „eigene […] Entscheidung“.66Vgl. Rendtorff, Ethik, 103, dort auch das Zitat. Eher sozialethisch pointiert wird Verantwortung zur Herausforderung, Gesellschaft so zu gestalten, dass Menschen verantwortlich handeln können. Auf dieser Linie ist das Leitbild einer „verantwortlichen Gesellschaft“ aus der ökumenischen Bewegung verstanden worden, etwa wenn Heinz-Dietrich Wendland   darin eine „die Institutionen […] der Gesellschaft treffende Forderung“ sieht:67Vgl. Wendland, Begriff, 2, dort auch die Zitate. Vgl. zur sozialethischen Pointierung von Verantwortung auch Huber, Freiheit, 84. „Diese sollen nämlich so beschaffen sein, daß der einzelne in ihnen und mit ihrer Hilfe verantwortlich handeln und leben kann.“68Wendland, Begriff, 2. Auch Huber hat „Sozialethik als Verantwortungsethik“ gedacht.69Vgl. Huber, Sozialethik. darin eine „die Institutionen […] der Gesellschaft treffende Forderung“ sieht:67Vgl. Wendland, Begriff, 2, dort auch die Zitate. Vgl. zur sozialethischen Pointierung von Verantwortung auch Huber, Freiheit, 84. „Diese sollen nämlich so beschaffen sein, daß der einzelne in ihnen und mit ihrer Hilfe verantwortlich handeln und leben kann.“68Wendland, Begriff, 2. Auch Huber hat „Sozialethik als Verantwortungsethik“ gedacht.69Vgl. Huber, Sozialethik.
- Alltag – Außergewöhnliches. Bonhoeffer   hat den Verantwortungsbegriff vor allem in der außergewöhnlichen Situation des Widerstandes entwickelt, wo er sich auf schwere Entscheidungssituationen bezieht (s. 4.1). Ethisch relevant ist aber auch die Verantwortung, die Menschen alltäglich tragen, etwa bei ihrer Ernährung. So entsteht – mit Huber hat den Verantwortungsbegriff vor allem in der außergewöhnlichen Situation des Widerstandes entwickelt, wo er sich auf schwere Entscheidungssituationen bezieht (s. 4.1). Ethisch relevant ist aber auch die Verantwortung, die Menschen alltäglich tragen, etwa bei ihrer Ernährung. So entsteht – mit Huber  gesagt – die Spannung „zwischen der normalen Situation der Funktionsverantwortung und der außergewöhnlichen Situation der stellvertretenden Verantwortung“.70Huber, Freiheit, 74. Bezöge man eine für außergewöhnliche Situationen erdachte Verantwortung auf jede Alltagssituation, würde dies verantwortlich Handelnde sicher überfordern. gesagt – die Spannung „zwischen der normalen Situation der Funktionsverantwortung und der außergewöhnlichen Situation der stellvertretenden Verantwortung“.70Huber, Freiheit, 74. Bezöge man eine für außergewöhnliche Situationen erdachte Verantwortung auf jede Alltagssituation, würde dies verantwortlich Handelnde sicher überfordern.
- Einseitig – Gegenseitig. Verantwortliches Handeln ist sowohl als einseitiges, als auch als in Gegenseitigkeit Eingebundenes gedacht worden.71Vgl. Huber, Sozialethik, 144f. Bonhoeffer   hat Verantwortung als Stellvertretung verstanden – also als Handeln „an der Stelle“ von und für jeweils Schwächere.72Vgl. DBW 6, 256f., Zitat S. 257. Damit ist Verantwortung zunächst genauso nicht-reziprok gedacht wie später bei Hans Jonas hat Verantwortung als Stellvertretung verstanden – also als Handeln „an der Stelle“ von und für jeweils Schwächere.72Vgl. DBW 6, 256f., Zitat S. 257. Damit ist Verantwortung zunächst genauso nicht-reziprok gedacht wie später bei Hans Jonas  (s. 3.2).73Vgl. zur Einseitigkeit bei Bonhoeffer und Jonas: Huber, Sozialethik, 145.146 f. Ohne Ethik ausschließlich darauf festzulegen, fokussiert Huber demgegenüber „Verhältnisse der Gegenseitigkeit, der Reziprozität“.74Vgl. Huber, Sozialethik, 144.146 f., Zitat S. 144. (s. 3.2).73Vgl. zur Einseitigkeit bei Bonhoeffer und Jonas: Huber, Sozialethik, 145.146 f. Ohne Ethik ausschließlich darauf festzulegen, fokussiert Huber demgegenüber „Verhältnisse der Gegenseitigkeit, der Reziprozität“.74Vgl. Huber, Sozialethik, 144.146 f., Zitat S. 144.
5. Ausblick
Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind komplex und nicht überschaubar. Die Herausforderungen an Ethik und (individuelles) Handeln sind groß – von Klimawandel bis internationaler Gerechtigkeit. Digitale Innovationen (vgl. Art. Digitalisierung) führen zu immer eigenständiger arbeitenden Maschinen. Angesichts dessen, ist die wichtigste Herausforderung theologischer Verantwortungsethik heute, unter Beachtung der Verantwortungskritik (s. 3.3) zu klären, wem unter welchen Umständen Gesellschaften und Glaubensgemeinschaften Verantwortung wofür genau zuzuschreiben können und sollen. Kriterien dafür hat Höhne 
 vorgeschlagen; sie orientieren sich an der Ermöglichung endlicher Verantwortung angesichts menschlicher Verantwortungslosigkeit und angesichts des human Unverantwortbaren.75Vgl. Höhne, Verantwortung, 523–581 und die dort zitierte Literatur.
 vorgeschlagen; sie orientieren sich an der Ermöglichung endlicher Verantwortung angesichts menschlicher Verantwortungslosigkeit und angesichts des human Unverantwortbaren.75Vgl. Höhne, Verantwortung, 523–581 und die dort zitierte Literatur.
