1. Definitionen und Differenzierungen
Repräsentation (von lat. repraesentare, re- „wieder, zurück“, und praesentare „darreichen, vorführen, vorzeigen“) bedeutet vergegenwärtigen, wiedergeben, nachahmen. Es geht um die Vertretung und Vergegenwärtigung von jemandem oder etwas Nicht-Gegenwärtigem. In Repräsentationsprozessen sprechen bestimmte Personen für andere und somit ist Repräsentation eine Praxis der Delegation und der Darstellung.1Vgl. Thumfart, Alexander, Art. Repräsentation, in: Handbuch der politischen Philosophie und Sozialphilosophie 2 (2008), 1113–1117. Zum einen kommen Personen nicht unmittelbar selbst zu Wort, sondern ihre Anliegen, Ansprüche und Argumente werden auf andere übertragen (Delegation). Zum anderen werden Urteile über Lebenswirklichkeiten von Menschen, die der Vertretung durch andere bedürfen, auf eine bestimmte Art und Weise von diesen anderen Personen gedeutet und dementsprechend vermittelt (Darstellung). Repräsentation beruht also immer auf Bedeutungszuschreibungen, und sie bedarf der Autorisierung.
Bei der Analyse von Repräsentationsprozessen geht es um die Frage: Wer spricht wie, wo und wann für wen? Dabei kann Repräsentation unterschiedlich vollzogen und interpretiert werden. Das zeigt die einflussreiche begriffliche Differenzierung der Politikwissenschaftlerin Hanna F. Pitkin . Sie unterscheidet vier Formen der Repräsentationsbeziehungen:
- „Autorisierte Repräsentation“ verweist darauf, dass im Rahmen der Stellvertretung Personen gesetzlich ermächtigt sind, für eine andere zu handeln, denen sie rechenschaftspflichtig sind, z. B. Rechtsanwaltschaft oder die durch Wahl autorisierte politische Vertretung.
- „Deskriptive Repräsentation“ bedeutet, dass Repräsentant:innen aufgrund spezifischer Merkmale ihrer Identität (wie z. B. Geschlecht, Alter, Ethnie) für eine bestimmte Gruppe stehen können, klassische Beispiele sind die Black Power Bewegung oder Feministische Aktivist:innen.
- Um „symbolische Repräsentation“ handelt es sich, wenn Personen für eine bestimmte Idee einstehen. Repräsentant:innen vertreten ideele Sinngehalte, wie z. B. Patriotismus oder christliche Nächstenliebe, über die sich die Repräsentierten definieren.
- „Substantiellen Repräsentation“ bedeutet, dass Repräsentant:innen für die Repräsentierten in deren Interesse verantwortlich handeln und entsprechende Inhalte durchsetzen, solche organisierten Interessen werden durch Verbände oder Gewerkschaften vertreten.2Vgl. Pitkin, Hanna F., The Concept of Representation, Berkeley/Los Angeles 1967.
2. Ideengeschichtliche Einordnung
In ihrer Entstehungsgeschichte hängen Fragen der Repräsentation eng mit Prozessen der Säkularisierung zusammen. Repräsentationsfragen entstehen zwar schon in „vormodernen“ Kontexten, sie prägen aber in besonderem Maße „moderne“ säkulare Gesellschaften.
Als vormoderne Repräsentation kann ein religiös bzw. theologisch vermittelter Prozess verstanden werden, der zumeist vertikal verläuft: In christlich geprägten vormodernen Gesellschaften geht es zum Beispiel im weitesten Sinne um die Repräsentation Gottes auf Erden. So erhält weltliche Souveränität ihre Autorisierung „von Gottes Gnaden“ und vermittelt und repräsentiert entsprechend die göttliche Ordnung. Eine Rechenschaftspflicht hat der Souverän nur vor Gott.3Vgl. Kaufmann, Franz-Xaver, Religion und Modernität. Sozialwissenschaftliche Perspektiven, Tübingen 1989.
Ein zentrales Merkmal moderner säkularer Gesellschaften sind hingegen komplexe horizontale Repräsentationsprozesse. Zum einen verlangt die strukturelle Modernisierung – deren Kennzeichen die Ausdifferenzierung der verschiedenen Kultursachbereiche wie Religion, Wirtschaft, Wissenschaft, und Arbeitsteilung ist – die Übertragung von speziellen Aufgaben an professionelle Stellvertretungen mit spezialisiertem Wissen und Können. Diese Stellvertretung durch Expert:innen ist effizient und funktional. Zum anderen werden im Kontext der normativen Modernisierung – deren Kennzeichen die „Wende zum Subjekt“ ist, die sich durch individuelles, selbstverantwortetes Handeln auszeichnet – Fragen der Autorisierung von Repräsentant:innen diffiziler; denn letztlich muss jede einzelne Person ihrer Repräsentation zustimmen. Zu Beginn der Moderne geht es um die Übertragung von Selbstbestimmungsrechten des Individuums auf einen absolutistischen Souverän (Thomas Hobbes ) oder auf eine legislative Versammlung (John Locke
). In modernen Demokratien agieren die politischen Repräsentant:innen „im Namen des Volkes“. Häufig werden sie als Spiegel der Gesellschaft verstanden, von deren Mitglieder sie autorisiert worden sind – aber immer nur vorläufig, d. h. bis zur nächsten Wahl. Die Kritik an dieser modernen Form von politischer Repräsentation besteht vor allem darin, dass sie letztlich als Legitimation des Ausschlusses der Vielen von der Herrschaft fungieren kann (Karl Marx
).4Vgl. Meinel, Florian, Art. Repräsentation, I. Idee, politische Bedeutung und Praxis, 08.06.2022 ( Online-Lexikon, https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Repr%C3%A4sentation ) abgerufen am 11.09.2024.
Neben den Parlamenten ist die Entstehung der zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit für moderne Repräsentationsprozesse prägend; die Formierung intermediärer Organisationen, zu denen Verbände, Vereine, aber auch die Kirchen gehören, ist charakteristisch für diesen Bereich.
3. (Lebensweltliche) Probleme und Kritik
Weil Selbstrepräsentation nicht immer zu verwirklichen ist, ist Fremdrepräsentation notwendig. Diese reagiert auf lebensweltliche Probleme des gesellschaftlichen Ausschlusses und verspricht denjenigen Emanzipation und Inklusion, die sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst vertreten können und in der Öffentlichkeit keine Stimme haben. Repräsentation reagiert also auf Exklusionsmechanismen, löst diese aber nie vollständig auf, wie die Konzepte der Schwachen Interessen (a) und der Subalternität (b) deutlich machen:
- „Schwache Interessen“ weisen auf das Problem hin, dass gesellschaftliche Teilhabe an eine bestimmte Ressourcenausstattung gebunden ist. Schwache Interessen sind schwieriger durchsetzbar als starke; sie sind gekennzeichnet durch eine ,,[r]elative Benachteiligung in der politischen Interessenkonkurrenz, die aus einer Minderausstattung mit den für die Artikulations-, Organisations-, Mobilisierungs- und Durchsetzungsfähigkeit notwendigen sozialen Eigenschaften resultiert.“5Vgl. Willems, Ulrich/Winter, Thomas von (Hrsg.), Politische Repräsentation schwacher Interessen, Opladen 2000. Diese Ressourcendefizite, also des Mangels an Geld, Zeit oder Wissen, wirken sich auch auf die Ermöglichung von Repräsentation aus.
- „Subalternität“ weist auf das Problem hin, dass Repräsentationsprozesse gegen ihre Intention Unsichtbarkeit im öffentlichen Raum erzeugen. Subalterne sind Menschen, „die keine Kenntnis darüber haben dürfen, dass es einen öffentlichen Raum gibt und dieser ihnen als Bürger:innen etwas schuldig ist.“6Spivak, Gayatri Chakravorty, Can the Subaltern Speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Aus dem Englischen von Alexander Joskowicz und Stefan Nowotny, Wien 2008, 26. Hierbei spielt das Konzept des „Othering“, die Fremdbeschreibung des Anderen, eine große Rolle: Die Repräsentant:innen bringen nach ihren eigenen Vorstellungen die Urteile und Interessen der Repräsentierten zur Sprache und zwar in einer etablierten verständlichen Sprache. Diese ist nicht frei von „epistemischer Gewalt“,7Vgl. Brunner, Claudia, Epistemische Gewalt. Wissen und Herrschaft in der kolonialen Moderne, Bielefeld 2020 (PDF-Dokument/E-PUB/Open-Access, https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5131-7/epistemische-gewalt/), abgerufen am 11.09.2024. jenem Anteil der Gewaltförmigkeit, der in der Konstruktion und Etablierung von Wissen und Wissenssystemen liegt. Aufgrund von Prozessen des Othering sind die Urteile unter Umständen gar nicht die der Betroffenen selbst. Um sichtbar zu werden übernehmen Exkludierte in einem Prozess des Self-Othering häufig die Vorstellungen, die sich die Anderen von ihnen machen; ihre eigenen bleiben so allerdings unsichtbar.8Vgl. Winkler, Katja, Reflexive Repräsentation. Ein postkolonialer Theoriebaustein für die theologische Ethik, in: crosscultural 11 (2023), (PDF-Dokument, https://eplus.uni-salzburg.at/download/pdf/8625002.pdf), abgerufen am 11.09.2024, 2–22.
4. Relevanz für (lebensweltliche) Debatten und Diskurse
Repräsentationsfragen sind vor allem in identitätspolitischen Debatten präsent, die sich auf die politische Praxis marginalisierter Gruppen beziehen. Diese konstruieren eine kollektive Identität, über die sie sich organisieren und so gegen Benachteiligung wehren. Das Thema Anti-Diskriminierung ist von Repräsentationsfragen durchzogen. Das (asymmetrische) anwaltschaftliche Eintreten für „die Armen“ und Bedrängten – das auch als ein Grundvollzug des christlichen Glaubens angesehen wird – wirft Fragen auf: Wie kann dieses anwaltschaftliche Handeln mit Blick auf die Betroffenen angemessen gestaltet werden – politisch, aber z. B. auch im Kontext der Sozialen Arbeit oder in Bildungsprozessen? In folgenden Bereichen finden besonders differenzierte Debatten über Repräsentation statt:
- „Stellvertretung“ von Menschen mit Behinderung wird mit der UN Behindertenrechtskonvention von 2008 durch „Assistenz“ abgelöst, d. h. Menschen entscheiden grundsätzlich selbst. Nur wenn nötig, wird ihnen dabei assistiert. Selbstrepräsentation wird zum Maßstab, dies verdeutlicht auch der Slogan der Behindertenrechtsbewegung „Nothing about us without us.“9Lob-Hüdepohl, Andreas, „Redet mit uns!“ Auslotungen einer „betreuungsethischen“ Selbstverständlichkeit, in: BtPrax 30/1 (2021), 14–18.
- In der Migrationsdebatte wird häufig die Sprache als ein entscheidender Faktor ausgemacht, dass Repräsentation notwendig wird. Auch hier hat sich jedoch eine Entwicklung vollzogen, nämlich dass den Selbstorganisationen von Geflüchteten Priorität eingeräumt wird. Falls Advokation nötig wird, sollte diese immer in Kooperation ausgeübt werden.10Vgl. Winkler, Katja, Lebenslängliche semantische Exklusion? Postkoloniale Analysen zum Problem der „wohlmeinenden Advokation“ im Kontext der Migrationsgesellschaft, in: Keßler, Tobias (Hrsg.), Lebenslänglich! Das Ringen von Migrierten und Geflüchteten um gleichberechtigte Partizipation in Gesellschaft und Kirche, Regensburg 2021, 52–79.
- Die Berufsvertretung erotischer und sexueller Dienstleistungen e. V. weist unter dem Slogan „Redet mit und nicht über uns!“ darauf hin, dass Sexarbeiter:innen häufig die Partizipation an politischen Entscheidungenprozesse verwehrt bleibt, obwohl sie deren Berufsalltag unmittelbar betreffen.11Vgl. Spieß, Christian, Respekt für Sexarbeitende. Das Beharren auf Selbstbestimmung als Motiv advokatorischer Ethik, in: Amosinternational 18/2 (2024); vgl. Rivière, Undine de, „Wichtig ist uns, dass die Regulierungen der Sexarbeit zusammen mit Sexarbeitenden entworfen werden“. Interview zum Thema Anwaltschaft in der Sexarbeit, in: Amosinternational 18/2 (2024), (PDF-Dokument, amosinternational 02_2024 – seiten001-056.pdf), abgerufen am 12.02.2025, 42–47.
- Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht sind zwei Beispiele für die Relevanz von Repräsentationsfragen in medizin- und pflegeethischen Belangen. Es geht hier u. a. darum, dass aus gesundheitlichen Gründen oder am Lebensanfang (vgl. Art. Geburt) oder -ende (vgl. Art. Sterben/ Tod (ethisch)) Selbstrepräsentation noch nicht, nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich ist.
- Der große Bereich der ökonomischen Mitbestimmung ist ein Beispiel für Interessensvertretungen (z. B. der Arbeitnehmer:innen in Gewerkschaften), die sich von den o. g. Identitätspolitiken unterscheiden.
Besonders intensiv werden Repräsentationsfragen sicherlich mit Blick auf die „Krise der Demokratie“12Vgl. Landeszentrale für politische Bildung, Ist die Demokratie in einer Krise? Text in Leichter Sprache, Weinheim 2022 (Website, https://www.lpb-bw.de/demokratie-krise-leichte-sprache#c93612), abgerufen am 11.09.2024; vgl. Lessenich, Stephan, Grenzen der Demokratie. Teilhabe als Verteilungsproblem, Stuttgart 2019. diskutiert: Hinsichtlich politischer, parlamentarischer Repräsentation wird häufig eine sogenannte „Repräsentationslücke“ konstatiert. Bei dieser Diskussion wird auf das Konzept der deskriptiven Repräsentation zurückgegriffen, die auf der Annahme von Ähnlichkeits-Repräsentation beruht, wonach Repräsentierte und Repräsentierende einander möglichst weitgehend entsprechen sollen. Mit Blick auf die sozioökonomische Zusammensetzung der Parlamente wird z. B. kritisiert, dass diese kein Abbild der Gesellschaft sind. Die Frage der Repräsentativität der Repräsentation ist zentral in den aktuellen Debatten. So wird z. B. die Fragen diskutiert, ob fair gestaltete Repräsentation nicht besser ist als direkte Demokratie.13Vgl. Elsässer, Lea, Wessen Stimme zählt? Soziale und politische Ungleichheit in Deutschland, Frankfurt 2018.
5. Theologische Perspektiven
Theologisch werden vor allem vier unterschiedliche Aspekte des Repräsentationsthemas fokussiert:
- Repräsentations- und somit Exklusions- und Subalternitätsfragen werden als gesellschaftliche Problemfelder in den Blick genommen. Vor allem die theologische und hier insbesondere die advokatorische Ethik14Vgl. die Texte von Lob-Hüdepohl, Andreas wie z. B. Ders., Überflüssige Interessen? Politische Partizipation Benachteiligter als normativer Lackmustest für eine republikanisch verfasste Demokratie, in: Ethik und Gesellschaft 2 (2012), (PDF-Dokument, https://ethik-und-gesellschaft.de/ojs/index.php/eug/article/view/2-2012-art-5), abgerufen am 13.01.2025, 1–25. beschäftigt sich mit diesen Fragen, aber durchaus auch die Praktische oder die Historische Theologie. Insbesondere für postkoloniale, kontextuelle Theologie, aber auch die politische und Befreiungstheologien, die verstärkt auf die Sichtbarmachung von Marginalisierten reflektieren, steht dieses Forschungsfeld im Mittelpunkt.15Vgl. die Beiträge und den Forschungsüberblick in: Heimbach-Steins, Marianne (Hrsg.), Postkoloniale Theorien und Sozialethik, in: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften 61 (2020), (Online-Ausgabe/OpenAccess, https://www.uni-muenster.de/Ejournals/index.php/jcsw/issue/view/212), abgerufen am 13.01.2025.
- Kirchliche bzw. religiöse zivilgesellschaftliche Akteure, die als Anwält:innen und Repräsentant:innen bestimmter marginalisierter Gruppen agieren, stehen im Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung. Dieses Gebiet wird nicht allein theologisch, sondern vor allem auch religionssoziologisch analysiert.16Ein Klassiker in diesem Bereich ist Nuscheler, Franz et al., Christliche Dritte-Welt-Gruppen. Praxis und Selbstverständnis, Mainz 1995.
- Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände, Diakonie und Caritas, übernehmen neben Dienstleistungen auch die Aufgabe der (politischen) Anwaltschaft. Diese wird insbesondere diakonie- bzw. caritaswissenschaftlich reflektiert.17Vgl. Bleyer, Bernhard, Caritaswissenschaft – ein Begriff, viele Wege, in: neue caritas 124/4 (2023), 24–26; Gabriel, Karl, Caritas und Sozialstaat unter Veränderungsdruck. Analysen und Perspektiven, Münster 2007.
- Die Frage nach dem gesellschaftlichen Ort der Theologie, steht im Mittelpunkt der „Öffentlichen Theologie“.18Vgl. z. B. Hübenthal Christian et al. (Redaktion), Öffentliche Theologie, in: Ethik und Gesellschaft 1/2019, (Online-Ausgabe, https://ethik-und-gesellschaft.de/ojs/index.php/eug/issue/view/96), abgerufen am 12.02.2025. Diese Strömung interessiert die Möglichkeiten und Art und Weisen, wie Repräsentant:innen der Theologie als Wissenschaft in öffentliche Diskurse hineinwirken.
6. Aktuelle Herausforderungen
- Eine globale Herausforderung stellt die Krise der Repräsentation19Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Repräsentation in der Krise?, in: APuZ 40–42 (2016), (Online-Ausgabe, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/234711/repraesentation-in-der-krise/), abgerufen am 11.09.2024. dar, insofern Repräsentationsverhältnisse weltweit gesehen extrem asymmetrisch sind; hier ist etwa an die öffentliche Repräsentation von Regionen, die weit überdurchschnittlich vom Klimawandel betroffen sind, zu denken.
- Eine zentrale Herausforderung ist der Umgang mit Singularitäten, denn das eigensinnige Individuum scheint über Prozesse des Othering automatisch verloren zu gehen.
- Eine ethische Herausforderung stellt die Repräsentationskritik dar. Sie weist darauf hin, dass der ethische Universalisierungsanspruch, wonach alle Betroffenen jenen Normen, unter denen sie leben, zwanglos zustimmen können, kaum einzulösen ist. Denn angesichts der von Machstrukturen geprägten Repräsentationsbeziehungen, aber auch angesichts des Problems der Scham20Vgl. Neckel, Sighard, Achtungsverlust und Scham. Die soziale Gestalt eines existentiellen Gefühls, in: Fink-Eitel, Hinrich/Lohmann, Georg (Hrsg.), Zur Philosophie der Gefühle, Frankfurt a. M. 1993, 244–265. – zu denken ist etwa an Personen, die Missbrauchserfahrungen gemacht haben – werden Menschen „unsichtbar“. Dass es Menschen gibt, die zunächst einmal ihre Urteile nicht einbringen und auch keiner Norm zustimmen oder diese ablehnen können, muss von Menschenrechtsethiken berücksichtigt werden.
- Eine große Herausforderung besteht darin, dass Repräsentationsprozesse, indem sie ihre inkludierende Wirkung entfalten, sofort wieder neue, andere Exklusionen hervorbringen. Letztlich liegt also die größte Herausforderung darin, das „Problem für andere zu sprechen“21Vgl. Alcoff, Linda Martín, Das Problem, für andere zu sprechen, hrsg. und mit Nachw. von Marina Martinez Mateo, Stuttgart 2023. wahrzunehmen, aber Repräsentation trotzdem nicht aufzugeben.
Weiterführende Infos
Weiterführende Informationen zu Repräsentation finden sich hier:
Meinel, Florian/Weiß, Johannes, Art. Repräsentation, in: Staatslexikon8 online, Version 08.06.2022 (https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Repr%C3%A4sentation), abgerufen am 11.03.2025.