Black Theology

Dieser Artikel bietet einen kurzen Überblick über die Bewegung der Black Theology, wie sie in den Vereinigten Staaten entstanden ist. Zunächst werden eine kurze Definition und die Ziele der Bewegung dargelegt. Anschließend wird ihre Entstehung in den breiteren Kontext des westlichen Siedlerkolonialismus, der amerikanischen Sklaverei und des Freiheitskampfes der Schwarzen in den USA in der Zeit nach der Bürgerrechtsbewegung eingeordnet. Anschließend wird das bahnbrechende Werk von James H. Cone oes-gnd-iconwaiting..., Black Theology and Black Power, analysiert. Der Artikel schließt mit Bemerkungen darüber, wie sich die Bewegung der Black Theology seit ihren Anfängen entwickelt hat. Dabei wird die Arbeit mehrerer Denker*innen hervorgehoben, um Wege für die weitere Entwicklung der Bewegung aufzuzeigen.

Inhaltsverzeichnis

    1. Einführung

    Black Theology oder Schwarze Befreiungstheologie vertritt den Anspruch, dass der Gott, der sich im Leben, im Wirken, im Tod, in der Auferstehung, in der Himmelfahrt und in der Wiederkunft von Jesus von Nazareth, dem Christus Gottes, offenbart hat und der im Zeugnis der hebräischen Bibel und des Neuen Testaments bezeugt ist, sich mit den unterdrückten Völkern, insbesondere Afroamerikaner*innen, identifiziert und sie in ihrem Kampf um Freiheit und Menschenwürde befähigt und unterstützt. Die Aufgabe der Black Theology besteht daher, erstens, darin, die historischen, sozialen, kulturellen, ökologischen und politischen Bedingungen der Afroamerikaner*innen – ja aller schwarzen Völker in der Diaspora – im Licht der Offenbarung Gottes in Jesus Christus, dem Befreier, zu analysieren. Zweitens stützen sich Schwarze Befreiungstheolog*innen auf die Heilige Schrift und die verschiedenen kulturellen, sozialen und religiösen Erfahrungen von Schwarzen, um christliche Symbole und Rituale zu rekonstruieren und eine theologische Vision des christlichen Glaubens und Lebens für Schwarze Menschen zu formulieren. Diese teilen die gemeinsame Überzeugung, dass systemischer Rassismus und White Supremacy sündige Strukturen sind und daher beendet werden müssen. Jesus Christus und seinem Weg zu folgen bedeutet daher, an der Seite aller Schwarzen Menschen für die Beendigung der White Supremacy, des antischwarzen Rassismus und aller anderen Formen der systemischen Unterdrückung zu kämpfen. Für Schwarze Befreiungstheolog*innen ist dies das wahre Zeichen der christlichen Nachfolge. Im Folgenden gehe ich kurz auf den historischen Kontext ein, in dem die Black Theology entstanden ist. Dann werde ich kurz das bahnbrechende Werk des Theologen James H. Cone oes-gnd-iconwaiting..., Black Theology and Black Power, analysieren. Der Artikel schließt mit Bemerkungen darüber, wie sich die Bewegung der Black Theology seit ihren Anfängen entwickelt hat. Dazu wird die Arbeit mehrerer Denker*innen hervorgehoben, um Wege für die weitere Entwicklung der Bewegung aufzuzeigen.

    2. Frühe und moderne Ursprünge

    Die theologische Reflexion der Schwarzen begann Jahrhunderte bevor Menschen afrikanischer Abstammung den Zugang zu den modernen weißen europäischen und amerikanischen theologischen Akademien forderten und dann auch gewährt bekamen. Wie der Theologe Willie Jennings oes-gnd-iconwaiting... treffend feststellt, hat die Black Theology „zwei Anfänge“:

    Der erste begann bereits im späten 15. Jahrhundert, als Völker aus dem westlichen Teil des afrikanischen Kontinents von westeuropäischen Kolonialmächten in der so genannten Neuen Welt gefangen genommen, dorthin gebracht, versklavt und ausgebeutet wurden.

    Weiterführende Infos

    Weitere Informationen zum Kolonialismus finden sich hier:
    https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17718/kolonialismus, abgerufen am 06.05.2025.

    Im Kontext der Vereinigten Staaten wurden viele Afroamerikaner*innen misstrauisch, als sie die christliche Botschaft hörten, insbesondere in ihrer kolonialen Ausprägung. Während einige das Christentum rundheraus als völligen Unsinn und schädlich für ihr Volk ablehnten, nutzten andere Afroamerikaner*innen die Symbole und Rituale der Religion, um ihre einheimischen Religionen und Wissensformen zu rekonstruieren, ohne Rücksicht auf die Einhaltung des Kanons der christlichen Orthodoxie.1Vgl. Jennings, Willie James, Black Theology, in: Allen, Michael (Hrsg.), The New Cambridge Companion to Christian Doctrine, New York 2023, 267–281, 270.

    Wieder andere Afroamerikaner*innen wandten sich der christlichen Botschaft zu. Wie Jennings betont, muss diese Annahme jedoch in zweierlei Hinsicht verstanden werden. Auf der einen Seite akzeptierten viele Afroamerikaner*innen die koloniale christliche Botschaft mitsamt ihrer Rechtfertigung der Rassen- und Geschlechterhierarchie. Auf der anderen Seite widersprachen Einige der kolonialen Ausgestaltung der christlichen Geschichte. Um zu zeigen, dass der christliche Glaube für sie eine realisierbare Option darstellte, machten sich die Afroamerikaner*innen Jesus Christus als Interpretationsschlüssel für das Verständnis der christlichen Botschaft zu eigen. Sie haben zudem die Welt der biblischen Texte nicht nur akzeptiert, sondern sich auch imaginativ in sie hineinversetzt und sich mit der Geschichte Gottes und seinem Umgang mit dem alten Israel identifiziert. Dabei sahen sie die Exodus-Erzählung als zentral für das Verständnis ihrer Beziehung zu Gott, als sie um die Befreiung von der Sklaverei kämpften.2Vgl. Jennings, Black Theology, 270–272. Siehe auch Marbury, Herbert Robinson, Pillars of Cloud and Fire. The Politics of Exodus of African American Interpretation, New York 2015. Die Realität der afrikanischen Völker, die während und nach dem westlichen Siedlerkolonialismus den christlichen Glauben annahmen, bildet den breiteren Kontext für das Verständnis der Entstehung der Black Theology in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts.

    Die Bewegung der Black Theology als akademischer theologischer Diskurs begann in den späten 1960er Jahren. Trotz der Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung, z. B. des Civil Rights Act von 1964 und der Voting Rights Acts von 1965, wehrten sich viele Afroamerikaner*innen gegen den anhaltenden systemischen Rassismus, die wirtschaftliche Ungleichheit und Ausbeutung sowie die Beteiligung der Vereinigten Staaten am Vietnamkrieg.

    Weiterführende Infos

    Zum Civil Rights Movement vgl. Carson, Clayborne, Art. American Civil Rights Movement, in: Britannica (https://www.britannica.com/event/American-civil-rights-movement), abgerufen am 06.05.2025.

    Diese Faktoren bilden zusammen mit dem Aufkommen der Black-Consciousness-Bewegungen, den Aufständen in Newark, Detroit und anderen großen städtischen Zentren im ganzen Land sowie der Ermordung des Bürgerrechtsführers Martin Luther King Jr. oes-gnd-iconwaiting... am 4. April 1968 den unmittelbaren sozialen, politischen und historischen Kontext für das Verständnis der Entstehung der Black Theology als kritische Intervention in der vorwiegend euro-amerikanischen theologischen Akademie und im weiteren Sinne im amerikanischen Christentum.

    Am 31. Juli 1966 veröffentlichte eine Gruppe afroamerikanischer Geistlicher, die offiziell als National Committee of Negro Churchmen bekannt ist, eine Erklärung zur „Black Power“ in der New York Times. Obwohl sie die Rassenintegration befürworteten, kritisierten sie die weißen Kirchen und Theologen dafür, dass sie die aufkeimende Black-Power-Bewegung entweder bedauernswert verschwiegen oder bereitwillig missbilligten.3Vgl. Wilmore, Gayraud S., Einleitung, in: Cone, James H./Wilmore, Gayraud S. (Hrsg.), Black Theology. Eine dokumentarische Geschichte, Bd. 1 1966–1979, Maryknoll 21993, 15–19, 16.

    Weiterführende Infos

    Der ganze Text der Erklärung findet sich hier: https://www.crmvet.org/docs/6604_sncc_atlanta_race.pdf, abgerufen am 06.05.2025.

    Drei Jahre später, am 13. Juni 1969, veröffentlichte dieselbe Gruppe unter dem späteren Namen National Committee of Black Churchmen eine weitere Erklärung mit dem Titel „Black Theology“. James H. Cone oes-gnd-iconwaiting... (1938–2018), ein junger afro-methodistischer Pfarrer und Theologe, war der Hauptverfasser der Erklärung. Die Erklärung lautete unter anderem:

    Black Theology is a theology of black liberation. It seeks to plumb the black condition in light of God’s revelation in Jesus Christ, so that the black community can see that the gospel is commensurate with the achievement of black humanity. Black Theology is a theology of ‚blackness‘. It is the affirmation of black humanity that emancipates black people from white racism, thus providing authentic freedom for both white and black people. It affirms the humanity of white people in that it says No to the encroachment of white oppression.4National Committee of Black Churchmen, Black Theology, in: Cone, James H./Wilmore, Gayraud S. (Hrsg.), Black Theology. A Documentary History, Vol. 1 1966–1979, Maryknoll 21993, 37–39, 38 (Hervorhebung hinzugefügt). Cone erwarb seinen Doktortitel in systematischer Theologie in den gemeinsamen Programmen der Northwestern University und des Garrett-Evangelical Theological Seminary.

    Wochen vor der Veröffentlichung der Erklärung veröffentlichte Cone oes-gnd-iconwaiting... sein erstes Buch, Black Theology and Black Power, und ein Jahr später A Black Theology of Liberation (1970). Folglich war Cone als Gründungsmitglied eine Speerspitze der Black Theology als Bewegung in der spätmodernen theologischen Wissenschaft. Im Folgenden werden die zentralen Aussagen von Cones erstem Buch in aller Kürze analysiert.

    3. James H. Cone’s Black Theology und Black Power

    In Black Theology and Black Power analysierte Cone oes-gnd-iconwaiting... die Forderungen der Black-Power-Bewegung in Bezug auf die christliche Theologie und das amerikanische Christentum. Dabei betonte Cone kühn, dass die Botschaft der „Black Power“ nicht nur mit dem christlichen Glauben vereinbar sei. Sie ist in der Tat „die Botschaft Christi an das Amerika des zwanzigsten Jahrhunderts“.5Cone, James H., Black Theology and Black Power, Maryknoll 21997, 1 (übersetzt durch die Redaktion). Cone betonte, dass die aufkeimende radikale Bewegung eine historische Demonstration des christlichen Evangeliums sei. Erlösung bedeutet für Cone das entschlossene Handeln Gottes in der Menschheitsgeschichte, um alle unterdrückten Völker von jeglicher Art von Tyrannei zu befreien. Im Kontext der Vereinigten Staaten bedeutet Erlösung Gottes entschlossene Partnerschaft und Ermächtigung der Afroamerikaner*innen in ihren langjährigen Widerstandsbemühungen gegen die Rassenherrschaft. Daher bestand Cone darauf, dass es die Aufgabe schwarzer Theolog*innen sei, prophetische Interpretationen der radikalen gesellschaftspolitischen Implikationen (vgl. Art. Politik und Religion) der christlichen Botschaft anzubieten und schwarze wie weiße Christ*innen zu einer stärkeren Beteiligung am Kampf für die Freiheit der Schwarzen zu bewegen. Um diese verwegenen Behauptungen zu belegen, analysiert und erläutert Cone den Kern der christlichen Botschaft unter Berücksichtigung des Zeugnisses der religiösen Erfahrung der Afroamerikaner*innen.

    Nach Ansicht der frühen Bekenntnisse steht Jesus Christus im Mittelpunkt des christlichen Glaubens. Christus ist die endgültige Offenbarung Gottes, der die rettenden und erlösenden Absichten Gottes für die Menschheit offenbart. Das Werk Christi ist nach Cone oes-gnd-iconwaiting... im Wesentlichen das Werk der Befreiung des Menschen. Wie im Neuen Testament bezeugt, ist Christus in die Welt gekommen, um das Reich Gottes zu verkünden. Die Herrschaft Gottes ist das einschneidende und entscheidende Eingreifen Gottes in die Geschichte, um die vergangenen und gegenwärtigen soziopolitischen Ordnungen umzustürzen, welche die Armen und Unterdrückten zerstört. Die Herrschaft Gottes ist der Einbruch eines neuen Zustands, in dem Gott sich auf die Seite der Unterdrückten stellt. In der gegenwärtigen Situation begegnen die Afroamerikaner*innen dem gekreuzigten und auferstandenen Christus als einem, der ihnen aktiv Würde verleiht und sie zum Widerstand ermutigt. Der christliche Glaube der Schwarzen ist somit eine Religion des Protests und des Widerstands gegen strukturelle Übel und für die Freiheit, den menschlichen Wert und die Würde der Schwarzen. Cone zufolge stimmen die Botschaft des Evangeliums und die Botschaft der Black Power in diesem Punkt überein.6Vgl. Kegel, Black Theology, 37. Für die Identifizierung der Botschaft des Evangeliums und der Black Power, rechnete Cone mit Kritik von weißen und schwarzen christlichen Theolog*innen. Cone war bereit, das Risiko einzugehen, diese Botschaften miteinander zu vermischen oder schlimmstenfalls das Wirken Gottes in potenziell gewalttätigen politischen Bemühungen der Menschen untergehen zu sehen. Er bestand darauf, dass das aktive Wirken des auferstandenen Christus in der gegenwärtigen Situation der Afroamerikaner*innen die Anschuldigungen der theologischen Häresie bei weitem überwiegt.7Vgl. Kegel, Black Theology, 38. Letztlich ist das christliche Evangelium für Cone nichts anderes als die Botschaft von der vollständigen Befreiung der Schwarzen. Folglich muss man den historischen Freiheitskampf der Schwarzen durch die Linse der Erlösung interpretieren.

    Dies wirft jedoch die Frage auf, mit welchen Mitteln Gott in Christus die Erlösung der Schwarzen verwirklicht. Mit anderen Worten: Wie befreit Jesus Christus arme und unterdrückte Völker von unterdrückerischen Mächten? Während er diesen Punkt an anderer Stelle weiter ausführt, argumentiert Cone hier, dass Christus die Unterdrückten durch die Kraft seines Todes und seiner Auferstehung befreit. Er demonstriert dies, indem er das als Christus Victor bekannte Sühnemotiv wieder aufgreift und radikalisiert,8Vgl. Aulén, Gustaf, Christus Victor. Eine historische Studie über die Haupttypen des Sühnegedankens, Eugene 2003, 4–5. Der schwedische Theologe Gustaf Aulén aus dem 20. Jahrhundert bezeichnete dieses Motiv als die „klassische“ Idee der Sühne, in der ein dramatischer, kosmischer Konflikt zwischen Gott und allem, was sich Gottes guter Schöpfung widersetzt, nämlich Satan und die Mächte des Todes, stattfindet. In diesem dualistischen Rahmen ist die Sühne dann der entscheidende Kampf Gottes in Christus gegen diese Mächte und sein endgültiger Sieg über sie, wodurch die Schöpfung befreit und wieder mit Gott selbst versöhnt wird. da dieses Motiv nach Cone dem neutestamentlichen Zeugnis näher steht. In diesem Zusammenhang stellt er auch heraus, dass die Analyse des schwedischen Theologen und Bischofs Gustaf Aulén oes-gnd-iconwaiting... keine Verbindung zwischen dem versöhnenden Handeln Christi und der konkreten historischen Situation der unterdrückten Völker herstellt.9Cone übt diese Kritik an Auléns Studie in seinem späteren Werk. Vgl. Cone, James H., God of the Oppressed, Maryknoll 21997, 212–213. Durch seinen Interpretationsansatz der Schwarzen Befreiung legt Cone dar, dass Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung die Mächte der White Supremacy und des antischwarzen Rassismus entscheidend zerstört hat. Folglich sind Afroamerikaner*innen, die der rettenden Kraft des auferstandenen Christus begegnen, frei, in der Neuheit des Lebens zu wandeln und sich Christus in seiner Solidarität mit allen unterdrückten Völkern anzuschließen, die den zerstörerischen Mächten in der heutigen Welt Widerstand leisten. Cone wird diese Punkte später in seinen Werken A Black Theology of Liberation und in seiner reifen systematischen Theologie, God of the Oppressed (beide noch nicht in deutscher Übersetzung erschienen), weiterentwickeln. In letzterem argumentiert Cone, dass Jesus der schwarze Christus ist, in dem Gott den Zustand eines unterdrückten Menschen angenommen hat, um Gottes Selbstidentifikation (vgl. Art. Trinität) und Solidarität mit allen unterdrückten Völkern zu offenbaren. Christus steht mit den Schwarzen, bekräftigt ihr Menschsein und ermächtigt sie zum Kampf, weil Gott will, dass alle Geschöpfe Gottes frei sind.

    Cone’s Black Theology and Black Power wurde von anderen schwarzen Theolog*innen und Religionswissenschaftler*innen kritisiert. Der baptistische Theologe J. Deotis Roberts oes-gnd-iconwaiting... betonte beispielsweise, dass Cone es versäumt habe, das Thema der Versöhnung zu adressieren. Für Roberts ist die Versöhnung das Ziel von Gottes Befreiungswerk. Das bedeutet, dass Gott die Schwarzen von den Mächten des antischwarzen Rassismus und der White Supremacy befreien will, um sie mit Gott und untereinander zu versöhnen. Diese Versöhnung beinhaltet die vollständige Wiederherstellung des Stolzes, der Würde und des Wertes der Schwarzen Menschen. Zu Gottes Erlösungswerk gehört auch, dass schwarze und weiße Amerikaner*innen miteinander versöhnt werden. Für Roberts bestand die Aufgabe des schwarzen Theologen daher nicht darin, die Black-Power-Bewegung zu interpretieren, sondern den christlichen Glauben im Lichte der Erfahrungen der Afroamerikaner*innen auszulegen. zusätzlich kritisierte Roberts den frühen Cone dafür, dass er sich zu sehr auf den angeblichen Christozentrismus des Schweizer reformierten Theologen Karl Barth oes-gnd-iconwaiting... stützte. Roberts rief schwarze Theolog*innen dazu auf, ihr Verständnis von Jesus Christus in erster Linie aus der Heiligen Schrift und dem Zeugnis der religiösen Erfahrung der Afroamerikaner*innen zu entwickeln.10Vgl. Roberts, J. Deotis. Liberation and Reconciliation. A Black Theology, Philadelphia 1971.

    Eine zweite Kritik kam von der Historikerin und Theologin Gayraud S. Wilmore oes-gnd-iconwaiting... (1921–2022) und Cones Bruder Cecil W. Cone oes-gnd-iconwaiting... (1937–2016), der selbst Theologe war. Für Wilmore stützte sich Cones Black Theology ausschließlich auf christliche Kategorien, um die unzähligen Wege zu erklären, auf denen sich das Göttliche den Afroamerikaner*innen im Laufe der Geschichte offenbart hat, z. B. die traditionellen afrikanischen Religionen, andere abrahamitische Religionen und die nicht-religiöse afroamerikanische Kultur und Literatur.11Vgl. Wilmore, Gayraud S., Pragmatic Spirituality. The Christian Faith Through an Africentric Lens, New York 2004. Entsprechend bestand Wilmore darauf, dass schwarze Theolog*innen christliche und nicht-christliche Quellen gleichwertig behandeln sollten. In ähnlicher Weise warf Cecil Cone James Cone oes-gnd-iconwaiting... vor, sich auf weiße christliche Kategorien zu verlassen, um die ohnehin schon breite und komplexe Palette schwarzer religiöser Erfahrungen zu erklären. Cecil vermutete, dass dieses Versagen von James Cone auf dessen „fremde theologische Methodologie“12Cone, Cecil W., The Identity Crisis in Black Theology, Atlanta 1974, 77 (übersetzt durch die Redaktion). zurückzuführen war, die sich auf einen barthianischen (sprich: europäischen) christologischen Rahmen stützte, der der religiösen Erfahrung der Schwarzen ebenfalls fremd war.

    Die schärfste Kritik an Cone und diesen schwarzen Theologen der ersten Generation war ihre männliche Voreingenommenheit, ihr offenkundiger Sexismus und ihre patriarchalischen Annahmen. Eine nachfolgende Generation von Theologinnen und Wissenschaftlerinnen, die sich selbst als Frauenrechtlerinnen bezeichneten, trat in das Gespräch ein, um den schwarzen Befreiungstheologen vorzuwerfen, dass sie ein verzerrtes, maskulinistisches Bild der afroamerikanischen Erfahrung und des schwarzen christlichen Glaubens zeichneten (siehe Art. Womanist Theology).

    4. Schlussfolgerung: Die Entwicklung der Black Theology im 21. Jahrhundert

    Die Black Theology nähert sich inzwischen ihrem sechsten Jahrzehnt als akademischer Diskurs. Black Theology wurde analysiert, scharf kritisiert, rundheraus abgelehnt oder enthusiastisch, aber auch kritisch von Mitgliedern verschiedener Gruppen innerhalb und außerhalb des Afro-Christentums in den Vereinigten Staaten und weltweit angeeignet. Auch wenn dieser Artikel nicht in der Lage ist, die Bandbreite der Themen angemessen darzustellen, mit denen sich die Black Theology im Laufe ihres Bestehens befasst oder nicht befasst hat, ist es das Anliegen, einige Themen anzusprechen und die Arbeit ausgewählter Denker*innen hervorzuheben. Auf diese Weise werden Wege für die weitere Entwicklung der Black Theology aufgezeigt.

    Seit ihren Anfängen hat die Bewegung der Black Theology in die ganze Welt gewirkt und kritische Gespräche mit Theolog*innen aus der afrikanischen Diaspora und der Mehrheitswelt angestoßen. Insbesondere die 1976 gegründete Ecumenical Association of Third World Theologians (EATWOT) bot den formalen Rahmen für diese Gespräche.

    Weiterführende Infos

    Eine Selbstbeschreibung der Anliegen und Struktur des EATWOT findet sich hier: https://eatwotglobal.com/, abgerufen am 07.05.2025.

    Die Frage nach der fortbestehenden Beziehung der Black Theology zu afrikanischen Denker*innen und anderen Theologien der Befreiung und des Kampfes hat der Schwarze Theologe der zweiten Generation, Dwight N. Hopkins oes-gnd-iconwaiting..., aufgegriffen.13Vgl. Hopkins, Dwight N., Black Theology. Essays on Global Perspectives, Eugene 2017. Ein weiterer Schwarzer Theologe der zweiten Generation, Noel Leo Erskine oes-gnd-iconwaiting..., hat in jüngerer Zeit die vorherrschende Darstellung der Ursprünge des Afro-Christentums in den Vereinigten Staaten der Kolonialzeit und der Vorkriegszeit in Frage gestellt. Erskine argumentiert, dass historisch gesehen die religiöse Erfahrung der Schwarzen und damit das Afrochristentum im Kontext der Karibik und Südamerikas entstanden ist. Folglich rechtfertigt diese historische Entwicklung die Priorisierung der afrokaribischen religiösen Erfahrung, um die Diskussion über die theologische Reflexion der Schwarzen neu zu gestalten.14Vgl. Erskine, Noel Leo, Schwarze Theologie und schwarzer Glaube, Grand Rapids 2023.

    Es muss noch mehr getan werden, um die Beziehung zwischen dem Leben der Schwarzen und der andauernden und immer schlimmer werdenden ökologischen Krise zu verdeutlichen. Wie könnte die Black Theology die Verbindung von Afroamerikaner*innen zur Erde und die Tatsache, dass ihre Befreiung untrennbar mit der Befreiung der Erde selbst verbunden ist, weiter erforschen? Melanie L. Harris oes-gnd-iconwaiting... hat kürzlich argumentiert, dass afroamerikanische Frauen einen besonderen Beitrag leisten und theologische Überlegungen zur Umweltgerechtigkeit anstellen.15Vgl. Harris, Melanie L., Ecowomanism. African American Women and Earth-Honoring Faiths, Maryknoll 2017. Darüber hinaus hat Philip Butler oes-gnd-iconwaiting... die schwarze Befreiungstheologie aufgefordert, die theologische Anthropologie angesichts des Transhumanismus zu überdenken, einer philosophischen Bewegung, die darauf abzielt, den Zustand des Menschen durch den Einsatz von Technologie zu verbessern. Butler betont, dass die Technologie möglicherweise ein geeigneter Partner für die Spiritualität der Schwarzen sein kann, wenn es darum geht, sich auf dem Weg zu ihrer vollständigen Befreiung zu verbessern.16Vgl. Butler, Philip, Black Transhuman Liberation Theology. Technology and Spirituality, New York 2020.

    Ein Bereich, über den die Schwarze Befreiungstheologie weiterhin nachdenken muss, ist schließlich der Bereich Sexualität und Geschlecht. Während feministische Theologinnen begannen, dieses Thema beiläufig oder direkt zu adressieren, z. B. Kelly Brown Douglas oes-gnd-iconwaiting... Sexuality and the Black Church, bleibt die Schwarze Befreiungstheologie in ihrer Analyse der strukturellen Beherrschung Schwarzer LGBTIQA+ Menschen beklagenswert unterentwickelt. Darüber hinaus hat sie es versäumt, die Analyse und die gelebten Erfahrungen Schwarzer LGBTIQA+-Menschen angemessen in ihre Darstellungen Schwarzer Erfahrung zu integrieren. Wissenschaftler*innen wie Ibrahim Abdurrahman Farajajé oes-gnd-iconwaiting..., Renee L. Hill oes-gnd-iconwaiting..., Victor Anderson oes-gnd-iconwaiting..., Horace L. Griffin oes-gnd-iconwaiting..., Roger Sneed oes-gnd-iconwaiting..., Monica Joy Cross oes-gnd-iconwaiting... und Pamela R. Lightsey oes-gnd-iconwaiting... haben sowohl Schwarze Befreiungstheologen als auch feministische Theologen für ihr Schweigen über das Leben Schwarzer Queer- und Transgender-Personen sowie den allgegenwärtigen Heterosexismus und Trans-Antagonismus in afroamerikanischen christlichen Gemeinschaften kritisiert. Die Schwarze Queer-Theologie hat sich zwar als Bewegung herausgebildet, doch bedarf es weiterer Erforschung aus konstruktiver systematischer Perspektive. Eine zentrale Frage lautet: Wie legen Schwarze Theologinnen und Theologen angemessen Rechenschaft darüber ab, dass schwarzes queeres Leben in das Leben des Sohnes Gottes aufgenommen und folglich mit dem Leib Christi verbunden wird? Mit anderen Worten: Was bedeutet es, Schwarz, LGBTIQA+ und gerettet zu sein? Diese Frage ist nicht nur eine Frage des Glaubens, der nach Verständnis sucht (fides quaerens intellectum). Das ist sie tatsächlich auch. Sie ist für viele Schwarze LGBTIQA+-Menschen aber auch eine Frage von Leben und Tod.

    Weiterführende Literatur

    Butler, Philip, Black Transhuman Liberation Theology. Technology and Spirituality, New York 2020.

    Cannon, Katie G./Pinn, Anthony B. (Hrsg.), The Oxford Handbook of African American Theology, New York 2014.

    Cone, Cecil W., The Identity Crisis in Black Theology, Atlanta 1974.

    Cone, James H., Black Theology and Black Power, Maryknoll 21997.

    Cone, James H./Wilmore, Gayraud S. (Hrsg.), Black Theology. A Documentary History, Vol. 1 1966–1979, Maryknoll 21993.

    Douglas, Kelly Brown, Sexuality and the Black Church. A Womanist Perspective, Maryknoll 1999.

    Erskine, Noel Leo, Black Theology and Black Faith, Grand Rapids 2023.

    Evans, James H., Jr., We Have Been Believers. An African American Systematic Theology, Minneapolis 22012.

    Harris, Melanie L., Ecowomanism. African American Women and Earth-Honoring Faiths, Maryknoll 2017.

    Hopkins, Dwight N., Black Theology. Essays on Global Perspectives, Eugene 2017.

    Hopkins, Dwight N. (Hrsg.), The Cambridge Companion to Black Theology, New York 2012.

    Jennings, Willie James, Black Theology, in: Allen, Michael (Hrsg.), The New Cambridge Companion to Christian Doctrine, New York 2023, 267–281.

    Lightsey, Pamela R., Our Lives Matter. A Womanist Queer Theology, Eugene 2015.

    Roberts, J. Deotis, Liberation and Reconciliation. A Black Theology, Philadelphia 1971.

    Wilmore, Gayraud S., Pragmatic Spirituality. The Christian Faith through an Africentric Lens, New York, 2004.

    Einzelnachweise

    • 1
      Vgl. Jennings, Willie James, Black Theology, in: Allen, Michael (Hrsg.), The New Cambridge Companion to Christian Doctrine, New York 2023, 267–281, 270.
    • 2
      Vgl. Jennings, Black Theology, 270–272. Siehe auch Marbury, Herbert Robinson, Pillars of Cloud and Fire. The Politics of Exodus of African American Interpretation, New York 2015.
    • 3
      Vgl. Wilmore, Gayraud S., Einleitung, in: Cone, James H./Wilmore, Gayraud S. (Hrsg.), Black Theology. Eine dokumentarische Geschichte, Bd. 1 1966–1979, Maryknoll 21993, 15–19, 16.
    • 4
      National Committee of Black Churchmen, Black Theology, in: Cone, James H./Wilmore, Gayraud S. (Hrsg.), Black Theology. A Documentary History, Vol. 1 1966–1979, Maryknoll 21993, 37–39, 38 (Hervorhebung hinzugefügt). Cone erwarb seinen Doktortitel in systematischer Theologie in den gemeinsamen Programmen der Northwestern University und des Garrett-Evangelical Theological Seminary.
    • 5
      Cone, James H., Black Theology and Black Power, Maryknoll 21997, 1 (übersetzt durch die Redaktion).
    • 6
      Vgl. Kegel, Black Theology, 37.
    • 7
      Vgl. Kegel, Black Theology, 38.
    • 8
      Vgl. Aulén, Gustaf, Christus Victor. Eine historische Studie über die Haupttypen des Sühnegedankens, Eugene 2003, 4–5. Der schwedische Theologe Gustaf Aulén aus dem 20. Jahrhundert bezeichnete dieses Motiv als die „klassische“ Idee der Sühne, in der ein dramatischer, kosmischer Konflikt zwischen Gott und allem, was sich Gottes guter Schöpfung widersetzt, nämlich Satan und die Mächte des Todes, stattfindet. In diesem dualistischen Rahmen ist die Sühne dann der entscheidende Kampf Gottes in Christus gegen diese Mächte und sein endgültiger Sieg über sie, wodurch die Schöpfung befreit und wieder mit Gott selbst versöhnt wird.
    • 9
      Cone übt diese Kritik an Auléns Studie in seinem späteren Werk. Vgl. Cone, James H., God of the Oppressed, Maryknoll 21997, 212–213.
    • 10
      Vgl. Roberts, J. Deotis. Liberation and Reconciliation. A Black Theology, Philadelphia 1971.
    • 11
      Vgl. Wilmore, Gayraud S., Pragmatic Spirituality. The Christian Faith Through an Africentric Lens, New York 2004.
    • 12
      Cone, Cecil W., The Identity Crisis in Black Theology, Atlanta 1974, 77 (übersetzt durch die Redaktion).
    • 13
      Vgl. Hopkins, Dwight N., Black Theology. Essays on Global Perspectives, Eugene 2017.
    • 14
      Vgl. Erskine, Noel Leo, Schwarze Theologie und schwarzer Glaube, Grand Rapids 2023.
    • 15
      Vgl. Harris, Melanie L., Ecowomanism. African American Women and Earth-Honoring Faiths, Maryknoll 2017.
    • 16
      Vgl. Butler, Philip, Black Transhuman Liberation Theology. Technology and Spirituality, New York 2020.
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